9. – 11. September 2024

Nach einem üppigen Frühstück mit Casino-Ambiente ziehen wir weiter. Wir verlassen Nevada und begrüßen Utah. In St. George legen wir einen Zwischenstopp ein. Zum einen lockt …

… ein schicker Mormonentempel, zum anderen fordert meine Blase ihr Recht. Auf dem Weg bis hierher waren Toiletten nicht nur rar, sondern gar nicht gesät. Wir schauen uns das schneeweiße Prachtexemplar und die perfekt gepflegte Parkanlage an, …

… und nähern uns dann dem nächsten Ort meines Begehrs. Natürlich führt nur der Weg durch das Visitor Center dorthin, und ich nötige Stefan aus pädagogischen Gründen, mich ins Innere zu begleiten. Denn es kommt, was kommen muss: ein sozio-kulturelles Ereignis der Extraklasse. Da muss Stefan als Utah- und Mormonen-Neuling jetzt durch.

Freundlich lächelnd fängt uns Sister Mary direkt am Eingang ab und erteilt uns eine religiöse Fortbildung. Ich gebe derweil alles, meine Blase zu vertrösten. Denn ich will nicht gleich nach der Begrüßung schon mit der Tür ins Haus bzw. in die Toilettenräume fallen. Das wäre mir zu unhöflich.

Da wir nicht der Church of the Latter Day Saints angehören, dürfen wir den Tempel selbst nicht betreten. Stattdessen schlägt Mary einen dicken Ordner auf und zeigt uns Fotos vom Interieur, garniert mit Erklärungen und Erläuterungen zur Kirche und zum Glauben.

Höflich stelle ich ein paar kurze Zwischenfragen, die alle bereitwillig beantwortet werden. Und dann schlägt zu meinem Leidwesen Stefans Stunde. Als die Rede auf den Glauben im Allgemeinen kommt, läuft er sich argumentativ warm und legt freundlich, aber bestimmt und ausführlich seine Sicht der religiösen Dinge und ihre Zusammenhänge mit Politik und Gesellschaft dar. Ihr ahnt es schon: da gibt es wenig Deckungsgleichheit mit der jungen Mormonin! Vor allem aber zieht sich der „offizielle“ Teil dieses Besuchs weiter in die Länge.

Die Situation ist sicher eine Herausforderung für Sister Mary, doch sie behält die Fassung und hält sich diplomatisch zurück. Ich hingegen gerate so langsam an meine blasentechnischen Grenzen und klinke mich schnell aus der Diskussionsrunde aus. Den Toilettenbesuch habe ich mir jetzt aber so was von verdient!

Der nächste Zwischenstopp verläuft deutlich entspannter. Auf unserem Weg zum Zion NP liegt die Geisterstadt Silver Reef, die mitsamt ihrem winzigen öffentlichen Knast sehr schön auf einer Anhöhe vor einer tollem Naturkulisse liegt.

Von hier aus ist es nicht mehr weit bis nach La Verkin, wo wir für drei Nächte unser Quartier aufschlagen werden. Da in unserem Hotel kein früherer Check In möglich ist, fahren wir am frühen Nachmittag gleich weiter nach Springdale.

Das kleine, charmante Örtchen liegt direkt vor den Toren des Nationalparks und ist deshalb als Übernachtungsort naheliegend und begehrt. Die dortigen Unterkünfte sind aufgrund der Lage in einem schmalen Tal recht begrenzt, lange im Voraus ausgebucht und in der Regel auch unbezahlbar. Deshalb wohnen wir rund 30 Kilometer entfernt, zahlen weniger als die Hälfte für ein Zimmer und nehmen dafür eine 30-minütige Anfahrt in Kauf.

An diesem ersten Tag begnügen wir uns damit, die kulinarische und parktechnische Situation vor Ort zu checken. Und es wird schnell klar: Futter gibt es immer und überall genügend, doch um ein Plätzchen für unser Auto zu finden, werden wir an den beiden kommenden Tagen wohl als frühe Vögel an den Start gehen müssen.

Am nächsten Tag werfen wir gleich morgens einen erfreuten Blick auf unsere Wetter-App. Ha, endlich unter 40! Aber 35 Grad sind auch nicht ohne. Doch wir haben uns längst damit abgefunden, dass Wanderungen für uns nur in der geriatrischen Variante möglich sein werden.

Um Punkt 9 Uhr erreichen wir an beiden Tagen den Nationalpark und ergattern jeweils einen der letzten Parkplätze (30 $ für ein Tagesticket) an der Durchfahrtsstraße. Denn zu dem Zeitpunkt ist der große Parkplatz am Visitor Center schon längst voll. Ich bezweifle, dass man eine halbe Stunde später überhaupt noch irgendwo seine Karre lassen könnte.

Warum ist das überhaupt ein Thema? Kann man hier denn nicht wie woanders auch einfach mit dem Auto von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt gondeln? Nein, weil zwischen März und Oktober keine privaten PKWs im Park erlaubt sind. Stattdessen gibt es Shuttle-Busse, und das ist auch gut so.

Am Eingang geht’s schnell. Hier ist man auf Besuchermassen eingestellt. Wir kaufen uns den genialen America the Beautiful Pass. Er ist 12 Monate gültig, ist nicht übertragbar (wird immer im Zusammenhang mit einem Ausweis kontrolliert, es hat zu viel Missbrauch gegeben), gilt in allen Nationalparks und kostet überschaubare 80 $. Die haben sich spätestens nach dem dritten Besuch amortisiert.

Gerechnet wird auch hier pro Fahrzeug, nicht pro Person, was das Ganze noch lukrativer macht. Im Falle des Zion, wo man nur als Fußgänger oder Radfahrer hineingelangt, glauben sie einem einfach, dass man zusammengehört.

Auf den jeweils nächsten Bus wartet man nie länger als acht Minuten. Es geht flott und entspannt zu, im Park gibt es keine Staus, und Ruhe ist auch garantiert. Denn alle Busse wurden vor Jahren schon auf Elektrobetrieb umgestellt. Nun aber rein mit uns in die Natur! Am Morgen ist es noch halbwegs angenehm kühl, doch das wird sich schnell ändern.

Ein paar Worte zum Zion: Der älteste der fünf Nationalparks in Utah ist nach einem hebräischen Wort benannt, das Zufluchtsort bedeutet. Die von den Elementen und dem Virgin River geformte Landschaft beeindruckt mit ihren mehr als 300 Meter hohen cremefarbenen, pinken und orangeroten Felsen, die einen tollen Kontrast zum meist strahlend blauen Himmel bilden. Der Park breitet sich auf einer Fläche von rund 580 Quadratkilometern aus. Seine Höhelage schwankt zwischen rund 1.100 und 2.700 Metern.

Der Park ist ein Eldorado für Wanderer und Fotografen. Ersteren werden Strecken für alle Ansprüche und Leistungsniveaus geboten. Auch hier gilt: die süßesten Früchte fressen nur die großen bzw. in diesem Fall die fittesten Tiere. Obwohl in einer wüstenartigen Landschaft gelegen, ist das Gelände alles andere als karg. Innerhalb von Jahrmillionen entstanden abwechslungsreiche, teils bizarre Felsformationen. Die zahlreichen Canyons und Kulturstätten innerhalb des Nationalparks können das ganze Jahr über besucht werden. Doch im Frühjahr und im Herbst ist es hier am schönsten.

Über die Wahl der Wanderwege müssen wir uns keine großen Gedanken machen. Für die richtig ambitionierten Wege wie Angels Landing sind wir weder fit noch trittsicher genug. Doch selbst wenn wir es wären: die aktuellen Temperaturen sind einfach zu hoch für größere Anstrengungen. Also lassen wir es heute und morgen entspannt angehen und wählen die leichten Touren wie z.B. den Kayenta Trail zu den drei Emerald Lakes.

Die Wege sind größtenteils okay, doch meist auch etwas felsig und sandig, sodass man schon ein wenig aufpassen muss. Sagt zumindest eine, die nicht sehr trittsicher ist. Insgesamt erfreuen wir uns auf allen Wegen an wunderschönen Aussichten, auch wenn in den Pools und in anderen Gewässern nach einem langen, heißen und immer noch andauernden Sommer kaum noch Wasser ist.

Richtig schön ist es auch am oberen Ende der mit dem Bus erreichbaren Strecke, das auf den klangvollen Namen Temple of Sinawava hört. Dort fällt die Wahl der Fotomotive auch nicht unbedingt leicht.

Morgen früh ziehen wir weiter in den nächsten Nationalpark. Der Auftakt unserer Tour war schon mal großartig – abgesehen von der TV-Debatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump, die wir uns am zweiten Abend live angetan haben 😅. Wir haben so viel Schönes gesehen! Zion oder nicht Zion, das ist ganz sicher nicht die Frage.

27 Gedanken zu “Zion National Park – Gestreifter Zufluchtsort

  1. Im Zion NP habe ich mich so winzig gefühlt. Die Felsen sind ganz schön mächtig. Angels Landing habe ich lange auf meiner Liste gehabt, aber dann doch nicht gewagt. Ich wollte mich nicht in die Reihe der Leichtsinnigen einreihen, die schlotternd vor dem Abgrund scheitern.

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    1. Ja, beim Anblick der mächtigen Felsen kann man in der Tat demütig werden. Vielleicht hättest du Angels Landing tatsächlich mal in Angriff nehmen können. Ich habe bei dir ja den latenten Verdacht, dass sich hinter deinem sportlichen Understatement ein wahres Fitnessmonster verbirgt 😁.

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  2. Wieder ein schöner lebhafter Bericht mit tollen Fotos! Deine Toilettenstory kann ich gut nachvollziehen und werde mir merken, dass ich im Notfall statt aufs „Mormonenklo“ zu gehen, besser die Buschtoilette benutze
    Von der Landschaft Zion NP war ich damals sehr beeindruckt. Unsere Wanderung verlief größtenteils in der Mitte eines breiten, recht flachen Bachs. Nicht einfach aber bei heißem Wetter sicher zu empfehlen. Oder ist diese Strecke inzwischen gesperrt?

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    1. Danke, Inga! Ja, in dringenden Fällen ist die Buschtoilette immer vorzuziehen – sofern ein Busch vorhanden ist. Die Wanderung durch die Narrows, von der du sprichst, kann man heute immer noch machen. Dafür kann man in Springdale spezielle Schuhe und einen langen Stock mieten bzw. sich einen suchen. Wir haben aus zwei Gründen auf die Tour verzichtet: Zum einen bin absolut nicht trittsicher und habe mir schon auf einfacherem Untergrund diverse langwierige Fußverletzung üben zugezogen. Und zu. Anderen hatten wir immer das volle Fotoequipment dabei. Und insbesondere bei Stefan würden im Falle eines Sturzes gleich mehrere tausend Euro buchstäblich baden gehen.

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  3. Da wäre ich auch gewesen, aber leider ist 2020 Covid dazwischen gekommen. Auf viele Tourist muss man sich halt einstellen. Aber wenn alles gut organisiert ist und sich im Park verläuft, dann nimmt man das für diese großartige Landschaft gern in Kauf.
    Komm gut rüber! VG Simone

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    1. Vielleicht ergibt sich für dich ja noch eine Gelegenheit, die Tour nachzuholen. Die Gegend lohnt sich absolut! Und tatsächlich verläuft bzw. verfährt sich die Menschenmasse in den meisten Fällen. Nur ab und zu habe ich insbesondere die Instagram-Fraktion verflucht 😅. Dazu an anderer Stelle mehr. Dir auch alles Gute für 2025 🎉.

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      1. Hallo ! Nächste Woche bin ich in Berlin vom Donnerstag Abend bis Sonntag Mittag. Wohnen tue ich im Hotel Merurce in Berlin Tempelhof.
        Mein Sohn ist auch mit dabei aber er hat am Samstag geschäftlich in Berlin zu tun. Wir haben ausgemacht, dass ich mitgehe, weil wir noch einiges anschauen möchten.
        z. B. das Stasi Gefängnis Höhenschönhausen,
        die Stasi Zentrale und die Unterwelten von Berlin Tempelhof.
        Ich frage dich einfach mal ob du Lust hast auf einen Kaffee z. B. am Samstag. Da habe ich noch nichts vor und wie gesagt er ist beruflich unterwegs.
        Wenn du was einrichten könntest würde ich mich sehr freuen.
        LG Manni

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        1. Manni, klasse, dass du nach Berlin kommst. Ich würde dich wirklich gerne mal persönlich kennenlernen und einen Kaffee mit dir trinken. Ich bin aber ausgerechnet zur gleichen Zeit ein paar Tage bei meinen Eltern im Saarland. Sehr schade! Ich hoffe, es ergibt sich ein anderes Mal! Würde mich sehr freuen. Das Programm, das du dir vorgenommen hast, ist übrigens sehr lohnenswert. Dir bzw. euch eine gute Zeit in der Hauptstadt.

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  4. Fantastische Aussichten. Ich kann mir vorstellen, dass da die Auswahl der Bilder im Nachhinein schwer fiel.
    Parken: krass, dass es da so ein Gedränge gibt… ich wusste schon, es kommen Touristen hin, aber dass es so überfüllt sein würde?
    Wandern: her mit den anspruchsvollen Routen! Her mit dem Flying Angel. Und ja, es stimmt: die besten Ausblicke bieten einem wirklich die anspruchsvollen Strecken, davon habe ich mich schon häufiger überzeugt 😉

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    1. Oh ja, es grenzt an Folter, da im Nachhinein Fotos auszuwählen. Ein schmerzhafter, mehrstufiger Prozess 🙈. Was die Parksituation betrifft, ist es im Zion speziell. Der Ort, der vor den Toren des Nationalparks liegt und auch der Park selbst liegen in einem recht schmalen Tal. Da sind einfach keine Platzkapazitäten, um mehr Parkraum zu schaffen. Gleichzeitig ist die nächste nennenswerte Ortschaft, von der aus man wie auch immer Shuttlebusse einsetzen könnte, einfach zu weit entfernt, nämlich rund 25 Meilen, umgerechnet 40 Kilometer. Es hilft nix: man muss früh da sein oder so lange hin und her fahren, bis sich ein anderer vom Acker macht. Angel‘s landing wäre sicherlich dein Ding, zumindest zu einer kühleren Jahreszeit 😀.

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