So geht’s natürlich nicht! Habe ich es gestern doch glatt versäumt, …

… euch mit ein paar Basisinfos zur Stadt zu versorgen. Wird sofort nachgeholt.

Die Handels- und Hafenstadt Liverpool lebt und atmet Musik und Fußball. In dem multikulturellen Schmelztiegel leben Menschen aus mehr als 100 Nationen und sprechen rund 70 verschiedene Sprachen. Eine große Bevölkerungsgruppe stellen die Iren, was zur Folge hat, dass es hier nicht nur viele irische Pubs, sondern auch eine Menge Katholiken gibt. Doch auch der Rest der Welt fühlt sich in Liverpool längst heimisch.

Liverpool ist eine junge Stadt. Satte 40% ihrer rund 500.000 Einwohner sind jünger als 30 Jahre, das Durchschnittsalter liegt unter 40 Jahren. Die rund 70.000 Studenten sorgen dafür, dass der Altersschnitt konsequent niedrig bleibt. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass die Liverpooler Bürger in der Mehrheit gegen den Brexit gestimmt haben.

Nun aber raus mit uns! Das Wetter meint es an diesem Freitag gut mit uns. Da kommt das berühmte Royal Liver Building mit den Wappenvögeln Liverpools, den Liver Birds, doch gleich viel besser zur Geltung.

Schräg gegenüber liegt das Museum of Liverpool, das wir uns heute nicht nur von außen, …

… sondern auch von innen anschauen wollen. Hier gibt es auf mehreren Etagen einen gut aufbereiteten Überblick über die Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner. Dort erfahren wir auch von einer Aufsehen erregenden zoologischen Sensation, von der wir bis dato noch nie gehört haben. Erstmals ist es gelungen, Flora und Fauna derart formschön zu kreuzen. Darf ich vorstellen?

Der japanische Künstler Taro Chieze, der dieses wunderbare Wesen erschuf, möchte damit sowohl vor genetisch veränderten Nahrungsmitteln warnen als auch an Liverpools alte Hafen- und Handelsgeschichte erinnern, in der sowohl Wolle als auch Bananen eine wichtige Rolle spielten.

Nach so viel intellektuellem Input brauchen wir eine Pause, die wir mit dem Besuch des Shopping Areals Liverpool One verbinden wollen. Wie fast immer hegen wir keinerlei Ambitionen, uns dem hemmungslosen Konsum hinzugeben. Vielmehr erhoffen wir uns architektonisch Ansprechendes. Da wir diesbezüglich – abgesehen von der recht schönen Grünanlage auf der oberen Ebene – enttäuscht werden, widmen wir uns eben dem Mittagessen.

Der Nachmittag verspricht, interessant zu werden. Schon auf der Busfahrt zu unserem nächsten, etwas außerhalb gelegenen Ziels geht es gut los. Ein sehr freundlicher, leicht angetrunkener Herr mit schadhaftem Lächeln und reparaturbedürftiger Kleidung beginnt ein Gespräch mit mir. Unüberhörbar handelt es sich um einen Liverpooler Ureinwohner, der unverdrossen im härtesten Scouse zu mir spricht. Ich verstehe zunächst kein Wort, möchte jedoch nicht unhöflich sein und nicke deshalb freundlich lächelnd zu allem, was er sagt.

Irgendwann aber fällt der Sprachgroschen: Er scheint besorgt, dass wir zu wenig Kultur hier mitnehmen und empfiehlt den Besuch des Musicaltheaters! Ehrlich gesagt hätte ich ja eher auf eine Pub-Empfehlung getippt. So kann man sich täuschen. Lektion gelernt: Urteile nie nach Äußerlichkeiten und schon gar nicht nach Alkoholpegel.

Ein Weilchen später sind wir am Ziel. Der Bus hält praktischerweise fast direkt vor dem Heiligen Kral. Dachtet ihr wirklich, ihr kämet mit den Ausführungen und Fotos im gestrigen Bericht davon? Ernsthaft? Wovon träumt ihr nachts, bitteschön 🤣? Willkommen im Anfield Stadium, Hauptschlagader und gleichzeitig Herz der Stadt!

Für eine Stadionführung ist es leider zu spät, denn die letzte Tour startete schon um 15 Uhr. Doch das tut meiner Begeisterung keinen Abbruch. Ich begnüge mich mit der Ansicht von außen und erfreue mich ansonsten an den vielen einschlägigen Murals und sonstigen Liebesbeweisen der Fußballfans. Diese gehen so weit, dass das allgegenwärtige You’ll never walk alone und das Emblem des FC Liverpool sogar an Hauswänden, Hausnummern, Klingel- und Namensschildern prangt.

Spätestens jetzt bin ich überzeugt, dass sich ein Fan der Reds, vor die Wahl gestellt, sich zwischen der Ehepartnerin/dem Ehepartner und dem Verein entscheiden zu müssen, eher für die Liebe seines Lebens, also den Verein votieren würde. A propos: die Liebe meines Lebens hat zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben, eigene Interessen verfolgen zu wollen und trottet geduldig und ergeben hinter mir her. Auch ein Impulskauf im Fanshop führt nicht dazu, dass Stefan die Fassung verliert.

Bevor wir den Bus zurück in die Stadt nehmen, verschaffen wir uns noch einen kurzen Eindruck vom eigentlichen Stadtviertel. Anfield kommt wie ein kleiner Vorort auf dem Lande daher, beschaulich und fast kleinbürgerlich. Zumindest trifft das auf die unmittelbare Stadionumgebung zu. Wenige Hundert Meter weiter jedoch würde ich mich nachts vermutlich nicht unbedingt herumtreiben wollen. Irgendwie liegt hier ein Gang-„Geruch“ in der Luft. Nur so eine Ahnung, doch die hat mich in solchen Fällen bisher selten getäuscht.

Wieder zurück in der Innenstadt, unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang unten an den Docks. Wir lauschen dort kurz den Klängen, die von der Open-Air-Bühne zu uns herüber schallen. Doch das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns morgen in der Stadt erwartet. Der Tag verabschiedet sich sehr stimmungsvoll – und wir freuen uns auf morgen.

Am Samstag wache ich etwas angeschlagen auf. Ich fühle mich schlapp, der Schädel dröhnt, die Nasennebenhöhlen sind dicht und schmerzen. Ach, solange sonst nichts ist, wird das jetzt mal ignoriert. Eine Ibuprofentablette rein in den Schlund und los!

Passend zum Event des Wochenendes wird heute die Fotoausstellung Queen von Magnus Hastings in der Walker Art Gallery eröffnet. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Ich fasse es zusammen: sie ist richtig, richtig klasse! Und wie alle staatlichen Museen in England, in denen wir bisher waren, zahlen wir keinen Eintritt. Es wird lediglich um eine frei wählbare Spende gebeten, die auch ganz modern und einfach digital abgegeben werden kann. Ein paar Kostproben gefällig?

Nun sind wir richtig gut eingestimmt auf die Pride Parade, die jetzt auf den Straßen der Stadt unterwegs ist. Und dann ist die Schlappheit für ein paar Stunden vergessen. Hier in Liverpool gibt es im Gegensatz zur recht kommerzialisierten Variante der CSD-Parade in Berlin keine Wagen. Vielmehr kommt sie als klassische Demonstration daher. Es geht trotz des ernsten Anlasses fröhlich, ausgelassen und entspannt zu. Hier ein paar unserer fotografischen Eindrücke:

Als die letzten Teilnehmer an uns vorbeiziehen, schließen wir uns an und laufen das letzte Stück mit, hinunter bis zu den Docks, wo die Parade endet. Dort ist schon seit gestern alles vorbereitet für das große Fest. Bühnen, Futter- und Verkaufsstände füllen die Fläche rund um die Beatles und das Ufer des Mersey River. Nun ist Party angesagt!

Und wenn doch eh schon alles abgesperrt ist, findet zeitgleich noch ein zweites Event hier statt. Bei der British Firefighter Challenge wird richtig geackert! In voller Montur stürmen die internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer den aufgebauten Turm hinauf, ziehen 20 Kilo hoch, schleppen 70 Kilo schwere Puppen, rollen Schläuche auf und transportieren zwei jeweils 20 Kilo schwere Kanister. Ach, was erzähle ich. Schaut es euch selbst an!

Wir drehen anschließend noch eine kleine Runde am Flussufer entlang und ziehen uns dann ins Hotel zurück. Denn jetzt geht bei mir nichts mehr. Meine Energiereserven sind aufgebraucht. Während ich das Bett hüte, um hoffentlich bald wieder fitter zu sein, widmet sich Stefan dem TV und den Olympioniken, die um die Medaillen kämpfen. Bis morgen!

25 Gedanken zu “Liverpool – You’ll never walk alone

    1. Ich denke, dass der Künstler dahingehend auf das Thema aufmerksam machen möchte, dass er noch einen Schritt weitergeht als es heute Realität ist und hier ein Tier mit einer Pflanze kreuzt.

      @Beatles: Yeah, Yeah, Yeah! Siehe vorheriger Bericht, da klang es hier und da an. Aber es gibt natürlich noch viel mehr dazu in Liverpool. Ansonsten haben wir darauf verzichtet, auch noch zu den Elternhäusern der Jungs zu fahren 😁.

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      1. Ah verstehe. Könnte aber die Lösung des Klimaproblems sein: einfach die Kühe mit Photosynthese ausstatten. Dann können sie ihr CO2 gleich selbst wieder in O2 verwandeln. Und nebenbei ihr Futter selbst produzieren. Ich melde gleich mal das Patent an.

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          1. Hm, also, der Patentanwalt murmelte etwas von Perpetuum mobile, und dass es so was nicht geben könne. Ich fand die Idee ganz gut. Muss ich mal noch weiter dran tüfteln. Man könnte doch zumindest der Kuh einen Soja-Busch auf den Hintern aufpfropfen…

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  1. Wow, volles Programm in Liverpool, das richtig interessant ausschaut. Ich finde, dass man sich so oft wie möglich Fotoausstellungen anschauen soll, macht Spaß und ist oft sehr anregend für die eigene Knipserei.
    Wie es mit deinem „Unwohlsein „weiterging weiß ich ja schon. Darüber wirst du wahrscheinlich noch im Blog berichten.

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    1. Ja, ich nutze auch sehr oft die Gelegenheit, Fotoausstellungen anzuschauen. Manchmal ziehe ich Anregungen raus, manchmal, wie bei den Drag Queens hier, erfreue ich mich einfach nur an der Ästhetik und der Kreativität. Und ja, im letzten Bericht zu dieser Englandreise lasse ich anklingen, wie es mit der Schwundigkeit weiterging.

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  2. Die Pride Parade hätte mir richtig gut gefallen. Und ausnahmsweise auch das Museum 🙂 Und ja, auf sein Bauchgefühl muss man hören. Denn es beschützt einen gerade auf unbekanntem Terrain.

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    1. Was? Auch das Museum? Das stellt meine Einschätzung von dir jetzt aber schon auf den Kopf 😂. Aber irgendwie freut‘s mich dann auch. Die Drag Queens waren aber auch wirklich toll anzuschauen. Eine Augenweide! Auch die Kreativität beim Inszenieren der Fotos war echt beeindruckend. Ja, das Bauchgefühl hat mich schon häufiger gut beraten. Ich werde ihm weiter vertrauen 😎.

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      1. Beim Thema Museum ist es so… es muss mich interessieren. Also, wirklich interessieren. Ansonsten bin ich bereits nach der fünften ausgebuddelten Tonschale gedanklich bereits woanders 🙂

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          1. Ach was, Elke mag keine Tonschalen? Die sind für mich der Inbegriff eines Museum. Aber vielleicht habe ich bisher einfach die falschen besucht.

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          2. Ganz bestimmt warst du bisher in den falschen Museumsbuden! Also, ich selektiere da sehr stark. Ich gehe in der Regel (bis auf wenige Ausnahmen) nur dort rein, wo entweder Kunst ab dem 20. Jahrhundert (und da auch nur Gemälde und Skulpturen, aber kein Gedöns wie Schmuck oder Schalen 😅) oder eben Fotos gezeigt werden. Auf alles andere kann ich fast immer verzichten. So, das war jetzt mein schonungsloses Bekenntnis zum Banausentum!

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          3. Ach so, solche Museen gibt es auch 😉 Na, aber da hätten wir da noch meine Aversion zu Kunst. Wer weiß, vielleicht traue ich mich mal doch noch in solche Räumlichkeiten rein. Dann werde ich auf jeden Fall darüber schreiben.

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  3. Werte Elke!
    Großes Kompliment für deine Art zu schreiben! Lässt mich alles vergessen.
    Bis zur Erwähnung von „Stefan“ dacht ich glatt, der Kerl schreibt super!
    Dann, Huch, Stefan? Ne Frau schreibt?
    Stolpern über eigene Vorurteile: Spießerin, du! Stefan braucht keine Stefanie!
    Erst bei der IBU wieder nach ganz oben gezogen, um anhand des Blogtitels was über die schreibende Person zu erfahren. (Bin über die App und „ähnliche Beiträge“ hierher geleitet worden)

    Schmunzeln beim „schadhaften Lächeln“

    Sehr gut gemacht!

    Schau gerne ma auf ein virtuelles Tässchen Tee zum Keks vorbei,
    Gruß, Vorgärtnerin 🌿🩷

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    1. Erst einmal herzlich willkommen in meinem virtuellen Wohnzimmer, liebe Vorgärtnerin. Freut mich ja sehr, dass dir mein Bericht über Liverpool und auch mein Schreibstil gefallen. Ja, manchmal muss man seine Denk-Klischees über den Haufen werfen 😁. Geht ja jedem hin und wieder so. Die Einladung zum virtuellen Tee mit Keks nehme ich gerne an!

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