11. September 2022
Heute frühstücken wir auswärts im nur wenige Gehminuten entfernten Café Vasalisa. Dort sitzen wir im lauschigen Garten, den wir um neun Uhr noch ganz für uns alleine haben. Wirklich ganz für uns alleine? Na ja, fast …
Wer Istanbul besucht, kommt nicht drumherum: die wahren Herrscher der Stadt kommen auf samtenen Pfoten daher. Katzen sind die Heiligen Kühe der Stadt! Man tut alles, damit es ihnen gut geht. Die damit einhergehenden Huldigungen nehmen sie mit geradezu herablassender Selbstverständlichkeit hin. Wehe dem, der hier kein Katzenfreund ist!
Kaum steht unser leckeres Frühstück auf dem Tisch, …

… drapiert sich eine junge Katze auf einem Stuhl am Nachbartisch.

In dem Moment bin ich noch so naiv, zu glauben, sie wolle nur schauen und hoffen, dass am Ende vielleicht der eine oder andere Krümel für sie abfallen möge. Doch so viel Bescheidenheit ist ihre Sache nicht! Kaum nähere ich mich meinem Avocadobrot mit zwei pochierten Eiern, setzt das Fellmonster schon zum Sprung an, landet elegant auf meinem Schoß und will sich von dort aus gleich über meinen Teller hermachen. Stefans Pancakes hingegen scheinen sie nicht sonderlich zu reizen.
Zum Glück greift Stefan, den ich mit meinem Aufschrei aufgemischt habe, beherzt ein und schnappt sich das Knäuel. Spätestens jetzt sollte euch klar sein: bei uns ist Stefan der große Katzenflüsterer. Ich hingegen, hüstel, stehe ja mehr auf Reptilien.
Ende gut, alles gut. Das Kätzchen scharwenzelt zwar weiter um uns herum, bleibt aber dem Tisch fern. Das Frühstück landet vollständig in unseren Mägen, und selbstverständlich gebe ich dem Straßentiger nicht den kleinsten Krümel ab nach diesem frechen Überfall!
Hier und jetzt passt dieses kurzweilige und unterhaltsame Video über die Beziehung der Istanbuler zu ihren Katzen und wie es dazu kam. Schaut es euch an! Es sind gut investierte zwei Minuten.
Nach dem Frühstück geht’s weiter zum Bus, der uns zum Ausgangspunkt einer in meinem Reiseführer beschriebenen Tour bringt. Heute ist es mit 27 Grad zwar nicht wärmer als gestern. Doch bereits am frühen Morgen ist es derart schwül, dass wir schon angeschwitzt sind, als wir in den Bus steigen. Okay, auf dem Weg zur Bushaltestelle ging es schon in gewohnter Beyoğlu-Manier auf und ab und auf und ab und wieder auf, aber trotzdem 😅!
Der Rundgang beginnt am auf der Eminönü-Seite gelegenen Ufer des Goldenen Horns, genauer gesagt am Fähranleger von Fener. Fener, das ehemals griechische und gleichzeitig eines der ältesten Viertel der Stadt, wurde viele Jahrzehnte lang sich selbst überlassen und wird nun Schritt für Schritt saniert. Der historische Häuserbestand und die in ihrer Gesamtheit pittoresk anmutende Kulisse haben dafür gesorgt, dass das hügelige Fener gerne und häufig als Filmkulisse genutzt wird. Die beiden genannten Attribute haben selbstverständlich auch dafür gesorgt, dass sich ein vielfältiges Gastronomieangebot hier findet.





Nachdem wir den eher touristischen Teil hinter uns gelassen haben, nehmen wir nun auch verstärkt Armut wahr, bettelnde Kinder inklusive. Spätestens nach dem Übergang in das alte jüdische Viertel Balat, ebenso wie Fener ein Stadtteil des Bezirks Fatih, sind wir fast die einzigen Touristen. Dort ist es noch nicht so stylish und propper. Gastronomisch und optisch erleidet man hier jedoch auch keinen Schiffbruch.




Von nun an geht es anstrengend auf und ab. Oben angekommen, werden wir jedoch mit einer mega Aussicht von der Terrasse des Molla âşkî Teras Cafe auf die Stadt am Goldenen Horn belohnt. Zu gerne hätten wir hier auch unser Mittagessen zu uns genommen. Doch es ist schon mehr als schwierig, überhaupt was zu trinken zu bestellen. Die Karte gibt es nur auf türkisch, und auch die fünf jungen Leute im Service teilen die gleiche Eigenschaft. Sie sprechen und verstehen kein Englisch. Nicht ein Wort.
Na gut. Wenn das so kompliziert ist, dann eben nur eine Cola für Stefan, ein Wasser für mich. Das klappt irgendwie mit Zeichensprache direkt vor dem Getränkeschrank. Noch schmunzeln wir darüber. Doch wie sich im Laufe der Woche zeigen wird, soll das beileibe kein Einzelfall bleiben, sobald man sich auch nur wenige Meter abseits der üblichen Touristenpfade bewegt. Aber hier und jetzt entschädigt die Aussicht!


Unser nächstes Ziel ist die Chora Kirche. Der Bau war früher Teil eines Klosters und beherbergt heute ein Museum. Hier soll es die besterhaltenen byzantinischen Mosaiken Istanbuls geben. Das wollen wir mal so glauben, denn aus eigener Anschauung erleben wir es nicht. Die Kirche ist wegen Umbaus geschlossen.

Wenigstens ist die Umgebung der Kirche schön anzuschauen. So haben wir nicht das Gefühl, umsonst diesen kleinen Abstecher gelaufen zu sein bei der immer noch und immer stärker drückenden Schwüle.


Wenig später und nach ein noch ein paar mehr Höhenmetern erreichen wir das Ende der Tour an der 1.600 Jahre alten Stadtmauer. Das sich gerade ebenfalls in Renovierung befindliche Bauensemble ist die wohl größte Hinterlassenschaft von Byzanz.

Da aus dem genannten Grund gerade keine Begehung möglich ist, begnügen wir uns mit einem Blick von außen und steigen dann auf gut Glück in den nächsten Bus Richtung Eminönu. Wo genau er hinfährt, wissen wir nicht. Ach, Hauptsache, die Richtung stimmt! Wir haben uns keine türkische SIM-Karte zugelegt. Stattdessen begnügen wir uns mit dem WLAN im Apartment und schlagen uns unterwegs irgendwie so durch mit klassischem Offline-Material, Orientierungsvermögen und gesundem Menschenverstand.
Der Bus ist brechend voll an diesem Sonntagnachmittag. Aber wie sich herausstellt, hatten wir ein glückliches Händchen mit der Wahl der Buslinie. Denn sie hält an der einzigen für Touristen relevanten U-Bahnstrecke M2, genauer gesagt an der Station Haliç, mitten auf der Brücke gelegen, die das Goldene Horn überquert. Die gleich zu Beginn unserer Reise erstandene Istanbul Card ist schon gut ausgelastet bei uns.
Bevor wir in die besagte U-Bahnlinie umsteigen, genießen wir erst einmal den phänomenalen Blick auf die Altstadt. Sieht doch toll aus, oder?

Rein in die U-Bahn, hinaus am Taksim Platz. Dachten wir gestern schon, die Haupteinkaufsstraße Istiklal sei brechend voll, so werden wir heute eines Besseren belehrt. Da ist immer Potenzial für eine Steigerung! Jetzt hilft wirklich nur ein gelassenes go with the flow, da kein Durchkommen oder Überholen möglich ist. Fußballfans mischen sich jetzt auch noch darunter. Gar nicht so selten in einer Stadt mit gleich mehreren Top-Clubs.
Nach einem kurzen Boxenstopp zuhause ziehen wir wieder los, um ein Abendessen in einem der zahlreichen veganen Restaurants in unserem schönen Wohnviertel Cihangir zu ergattern. Unausweichlich auch jetzt wieder mit Katzen-Content 😁.


Auf dem Rückweg zur Wohnung werden wir innerhalb weniger Minuten gleich zwei Mal von deutschen Frauen mit türkischem Familienhintergrund angesprochen. Sie haben jeweils unsere Unterhaltung gehört. Herrlich, wie die Mädels sich gefreut haben, endlich wieder Deutsch zu sprechen 😅! Dabei waren alle drei erst seit kurzem hier in der Türkei unterwegs. Und nein, das habe ich jetzt nicht eigenmächtig hineininterpretiert. Die Damen haben das von sich aus betont und angesprochen.
Feierabend auf dem Balkon. Wir sind ziemlich platt, obwohl wir heute gar nicht so viele Kilometer auf die Sohlen gebracht haben. Die krasse Schwüle, viele Höhenmeter, das Enge und Überfüllte überall im ÖPNV und auf den Straßen. Uff! Doch morgen werden wir uns natürlich wieder die Kante geben. Was sonst?
Klassisches Offline-Material? Ihr werdet doch nicht etwa mit Stadtplänen auf Papier gedruckt unterwegs gewesen sein? Diese Kompetenz haben heute nicht mehr viele…
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Tatsächlich habe ich immer noch einen echten Reiseführer in Papierform dabei. Da bin ich Traditionalistin. In dem für Istanbul war diese Tour beschrieben. Ihr sind wir dann gefolgt. Klappt nicht immer zu 100%, weil zumindest in Istanbul oftmals keine Straßennamen im Stadtbild angegeben sind. Und überhaupt habe ich tatsächlich meistens eine Papierkarte dabei. Um eine Stadt richtig zu erfassen und ein Gefühl für die Distanzen und auch dafür zu bekommen, wo ich gerade bin, brauche ich „the big picture“. Ein kleiner Google Maps Ausschnitt auf dem Handy verschafft mir diesen nicht. Ja, mag sein, dass das für viele heute nicht nur undenkbar, sondern auch schlichtweg gar nicht mehr machbar ist 😂.
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Wer Karten lesen kann, ist im Vorteil. Ich entdecke auf den klassischen Stadtplänen immer mehr als auf Google.
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Ich auch!
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Eine Stadt voller Katzen, das wäre nichts für mich. Ich bin nun mal nicht der Katzenfan und werde es auch nicht mehr werden. Ich habe zwar nichts gegen Katzen aber Freunde werden wir auch nicht.
Sehr imposant die schmucken Häuschen (Farbenrausch). Toll
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Ich bin auch nicht so der Katzenfan. Habe nicht grundsätzlich was gegen sie, bin wie du da eher neutral eingestellt. In Istanbul sind mir die Viecher halt dann auf die Nerven gegangen, wenn sie sich im Restaurant einfach auf mein Essen gestürzt haben. Da verstehe ich dann auch keinen Spaß mehr 😁. Ist mir öfter passiert. Und das Verteidigen meiner Mahlzeit wurde dann bisweilen ziemlich anstrengend.
Ja, die Häuschen dort waren wirklich schön anzusehen!
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Im Prinzip gilt für mich das gleiche ! Wer Katzen mag soll sich eine zulegen für mich stellt stellt sich die Frage nicht !
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Katzen in Istanbul, wer hätte das gedacht…sind ja kuschelige Tiere, aber eben nicht für jeden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einen Bericht über diese Stadt so intensiv lesen würde. Diesen Ort hatte ich nie auf dem Schirm… Danke für den coolen Bericht und die wunderbaren Bilder. Farbenrausch eben!
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Immer gerne, Andrea. Freut mich!
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Herzlichen Dank für die schönen Erinnerungen. Unser Besuch in Istanbul liegt einige Jahre zurück. Die Menschen waren damals sehr offen und herzlich. Wir genossen den Aufenthalt damals uneingeschränkt. Heute wollen wir nicht mehr hin, denn Erdogan zu unterstützen ist nicht unser Interesse.
Liebe Grüße Horst
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Immer gerne, Horst. Euer Erdogan-Argument kann ich durchaus nachvollziehen, auch wenn ich selbst die politischen Gegebenheiten nicht zum Anlass genommen habe, von dieser Reise Abstand zu nehmen. Wie gut, dass ihr es zu einem früheren Zeitpunkt schon nach Istanbul geschafft habt.
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Ich möchte dieses Argument nicht verallgemeinern und schon gar nicht auf andere übertragen. Durchhalten lassen sich solch Positionen eh nicht dauerhaft, denn die Reiseziele wären sonst sehr begrenzt.
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Ja, das stimmt wohl!
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Tolle Eindrücke … aber über die Katzen müssten wir verhandeln …
Ähnliches hatte ich mal in Goa, wo mir einfach zu viele Hunde in Rudeln unterwegs waren … gruselig
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Meins ist das ja auch nicht unbedingt 😅. Die Hunde in Indien! Habe gerade einen Flashback. Das war auch echt extrem. Hatte zum Glück dort keine schlechten Erlebnisse. Die Viecher waren allesamt ziemlich friedfertig und auch nicht aufdringlich. Was Letzteres betrifft, hatten Istanbuls Katzen da durchaus mehr auf dem Kasten.
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Die Katzen in Istanbul sind überall. Und die Nacht ist ihr Tag 🙂 Viele Menschen füttern die Fellknäuel, manche basteln ihnen sogar provisorische Unterschlüpfe aus Pappe. Aufdringlich sind sie allemal, oder wie meine Freundin einen zu forschen Kater kommentiert hat, der an unser Essen wollte: „Türk eben…“ 😉
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Das darf aber wirklich nur eine Türkin sagen 😁.
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Ja, das ist wahr lach
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