9. – 10. September 2022
Warum ausgerechnet Istanbul? Nun, die türkische Metropole steht schon länger auf meiner Liste, allerdings nicht unbedingt an oberster Stelle. Doch wegen unserer ursprünglich für Februar diesen Jahres geplante Reise nach Dubai, die wir aus verschiedenen Gründen storniert haben, müssen wir bis Ende des Sommers noch das daraus resultierende Flugguthaben bei Turkish Airlines verbrauchen. Und was liegt da auf der Hand? Genau!
Am späten Vormittag starten wir zu einer sozialverträglichen Zeit gen Bosporus, …
… mit einem Platz am Notausgang mit viel Beinfreiheit gesegnet.

Ohne Übertreibung könnte ich jetzt behaupten, alles liefe unspektakulär und glatt, sogar pünktlich ab – wären da nicht zwei Ereignisse gewesen, die unseren Adrenalinpegel zumindest kurzfristig in die Höhe trieben und erst im Nachgang bei uns für Heiterkeit sorgten.
Für die erste Aufregung sorgt Stefan. Bei der Sicherheitskontrolle wird sein Handgepäck, das ausschließlich aus Fotoequipment besteht, wie immer Gegenstand einer Sonderprüfung. Business as usual. Doch als der Mitarbeiter dieses Teil aus seinem Rucksack zieht, …

… haben wir sofort einen Polizeieinsatz am Hals! Stefan gelingt es, das Missverständnis aufzuklären. Die beiden Polizisten nehmen seine Erläuterungen mit einem breiten Grinsen zur Kenntnis und entlassen uns dann aus ihren schwer bewaffneten Klauen. Der (über-)eifrige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bekommt aber ein dickes Lob von seinem herbeigeeilten Chef, weil er so vorbildlich aufmerksam war.
Bei unserer internen Nachbesprechung der Angelegenheit meinte Stefan, ich hätte den Blasebalg doch auch schon öfter unbeanstandet bei Flugreisen dabeigehabt. Ja, das stimmt, mein Lieber, aber doch nicht im Handgepäck 😂!
Der zweite Schreck hatte da schon weniger Potenzial zur Komik. Wenige Minuten vor dem Boarding erreicht mich eine Nachricht von unserer gebuchten Unterkunft in Istanbul. Sie könnten meine angegebene Kreditkarte nicht mit der Zahlung belasten. Ich möge doch bitte die Kartendaten ändern bzw. aktualisieren, und zwar innerhalb von vier Stunden. Ansonsten würde das Buchungssystem automatisch ein Storno der Buchung veranlassen.
Hektisch gebe ich eine meiner anderen Kreditkarten an. Doch das funktioniert auch nicht. Aaaarrgghhh! Dabei ist definitiv genug Deckung vorhanden. Und ich habe auch brav alle relevanten Banken über den bevorstehenden Auslandsaufenthalt informiert. Daran kann es also auch nicht liegen.
Mittlerweile stehen wir schon mit einem Fuß im Flieger. Ich bitte darum, die Angelegenheit doch notfalls bitte vor Ort zu regeln, wenn wir nachher angekommen sind. Eine unserer Karten wird dann schon funktionieren. So ist es doch eigentlich auch normal: beim Check-in eben, wenn man vereinbart hat, am Tag der Anreise zu zahlen. Der Vermieter ist einverstanden – wenn wir vor 17 Uhr Ortszeit (Istanbul ist uns im Sommer eine Stunde voraus) da sein sollten, da dann die Rezeption schließt. Das kann richtig knapp werden!
Ein letzter verzweifelter Blick auf meine Nachrichten, bevor der Flieger abhebt und ich offline gehen muss. Da kommt die erlösende Nachricht. Beim zweiten Versuch mit meiner zweiten Karte hat es dann doch noch geklappt mit der Zahlung. War dann wohl doch ein technisches Problem. Erleichtert lehne ich mich zurück und kann endlich den Start in diese Reise genießen. Das hätte gerade noch gefehlt, dass der Beginn dieses Trips in die unrühmlichen Fußstapfen der USA-Reise getreten wäre und wir nun zu zweit ohne Obdach in einer fremden Stadt landen würden.
Nach zweieinhalb angenehmen Flugstunden setzen wir pünktlich zur Landung an und werden mit einem ersten wunderbaren Überblick über die berühmte Stadt am Bosporus belohnt.

Passkontrolle, Koffer geschnappt, und hinein ins nächste Taxi. Der Flughafen ist rund 50 Kilometer von der Innenstadt Istanbuls entfernt. Wir benötigen dafür etwas mehr als eine Stunde. Unsere Ferienwohnung liegt mitten im quirligen Cihangir, einem Stadtteil im Bezirk Beyoğlu.
Als wir vor der Tür stehen, ist es 17:15 Uhr, und die Mitarbeiter an der Rezeption längst auf dem Nachhauseweg. Die Zugangsinfos erhalten wir per WhatsApp. Oben im vierten Stock erwartet uns eine sehr schöne, helle Wohnung. Ich werde sie euch in einem der folgenden Berichte noch vorstellen. Die Umgebung allerdings ist nichts für Lärmempfindliche 😁. Das pralle Leben eben. Wie wir noch feststellen werden, ist die enorme Lautstärke jedoch Standard in dieser Stadt.
Da wir komplett ausgehungert sind, machen wir uns gleich wieder auf den Weg. In der näheren Umgebung werden wir rasch fündig und speisen sehr lecker und dank der im freien Fall befindlichen türkischen Lira – 1 Euro = 18 Lira zum Zeitpunkt unserer Reise im September 2022 – auch extrem günstig. Für zwei komplette Mahlzeiten und zwei Getränke werden wir umgerechnet nur 7,50 Euro insgesamt los. Für die Einheimischen hingegen ist diese Währungsentwicklung natürlich ein Desaster.
Schnell noch was eingekauft und ab auf den Balkon! Die Aussicht von hier oben auf den Galataturm und die Umgebung ist schon mal nicht schlecht.

Am nächsten Morgen werden wir um fünf Uhr von den lieblichen Gesängen des Muezzins der Moschee um die Ecke geweckt. Aber nur kurzzeitig! Erschöpft schlafen wir sofort wieder ein. Später gibt es dann ein Frühstück auf dem Balkon, …

… bevor wir am späteren Vormittag losziehen. Die Wettervorhersage ist schon mal vielversprechend.

Wir beginnen unsere Tour am Taksim Platz, der von unserer Wohnung aus schnell zu Fuß zu erreichen ist. Dort tobt bereits das Leben. Und nicht nur dort! Istanbul als quirlig zu beschreiben, wäre die Untertreibung des Jahres 😅. Heute ist Samstag. Ob es deshalb noch voller und lauter ist als sonst?





Nachdem ich mangels Bargeld fast daran gescheitert wäre, eine öffentliche Toilette aufzusuchen – der freundliche Mitarbeiter lässt mich netterweise ohne Obulus hinein -, wird es höchste Zeit, die nächste Wechselstube aufzusuchen. Zwar ist es hier in Istanbul deutlich einfacher und verbreiteter, mit Kreditkarte zu zahlen als im dahingehend etwas rückständigen Deutschland. Doch ganz ohne ein paar Münzen und Scheinchen geht es dann doch nicht.
Der mit ordentlich Schalk im Nacken versehene Herr hinter dem Schalter legt mir als Gegenwert zu meinem 20 Euro-Schein eine 1 Lira-Münze hin und weidet sich erfreut an meinem verdutzten Gesichtsausdruck, bevor er den üppigen Rest herausrückt 😂.
Wir schlendern Istanbuls wichtigste Flanier- und Einkaufsmeile Istiklal entlang, die zwei Monate später durch eine Explosion mit Toten und Verletzten traurige Berühmtheit erlangen wird. Doch davon ahnen wir zu diesem Zeitpunkt natürlich nichts.






Irgendwann biegen wir ab und stehen vor dem Galataturm, den wir bisher nur aus der Ferne von unserem Balkon aus bewundert haben.

Von dort aus tauchen wir ein ins bergab führende Gewirr der Gassen, wo uns überraschend viel Kunst und kurios Anmutendes erwartet.






Und dann stehen wir am Goldenen Horn, dem rund sieben Kilometer langen Meeresarm am Bosporus, kurz vor seiner Mündung ins Marmarameer.


Nachdem wir dort ein Weilchen flanierten, schauten und uns treiben liessen, zieht es uns auf die Galatabrücke. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern schwimmt die heutige Version der Brücke nicht durchs Leben, sondern ist fest im Untergrund verankert.
Diese zweistöckige Brücke ist viel mehr als nur ein Hilfsmittel, um trockenen Fußes von einem Ufer zum anderen zu gelangen. Hier wird gefahren, gelaufen, (an)gequatscht, geschaut, geangelt sowie Shops und Restaurants besucht. Für die Einheimischen scheint es auch eine Art Erweiterung ihres Wohnzimmers zu sein. Die Galatabrücke als gute Stube Istanbuls.




Am anderen Ufer angekommen, sind wir noch immer in Europa, genauer gesagt im historischen Stadtteil Eminönü. Der asiatische Teil wird noch ein wenig auf uns warten müssen.
Wir lassen uns auf dem Platz gleich hinter der Brücke nieder und werden dort bestens unterhalten vom prallen Leben um uns herum. Was für ein Gewusel! Was für eine Lautstärke! Wir wissen gar nicht, wo wir zuerst hinschauen sollen. Es ist amüsant, unterhaltsam und anstrengend zugleich. Uns dämmert schon jetzt: das hier wird keine Erholungsreise 😁.




Nun packt uns die große Erschöpfung. Uns schwant bereits nach unserem ersten vollständigen Tag: Istanbul hat viel zu bieten, kann aber schnell zu viel, zu voll, zu laut werden.
Zurück zur Wohnung! Sie ist von hier aus nicht allzu weit entfernt. Maximal zwei Kilometer liegen vor uns. Doch der Teufel steckt im Detail, genauer gesagt im ewigen Auf und Ab der Hügel von Beyoğlu. So laufen wir zwar direkt auf unser temporäres Zuhause zu, aber es geht unzählige Male hoch, runter, hoch, runter, hoch, runter und wieder hoch.
Die Gässchen sind schmal und bestehen zum größten Teil aus Kopfsteinpflaster. Es gibt sowohl hier aus auch weiter unten an den großen Verkehrsachsen kaum Wege oder Überwege für Fußgänger. Auch Ampeln sind hier eher rar gesät. Diese Stadt gehört den Autofahrern, die sich auch noch durch die engsten Gassen zwängen und Fußgänger gnadenlos an den Rand drängen oder weghupen. Letzteres passiert Stefan sogar mitten auf einem der raren Bürgersteige, den ein ungeduldiger Gaspedalrowdy für ein Überholmanöver zu nutzen gedenkt.
Schlussendlich überleben wir den in eine Kakophonie aus Motorenlärm, Gequatsche, Gehupe, den Gesängen der Muezzine und der omnipräsenten Musik getunkten Rückweg und lassen uns mit einem tiefen Seufzer auf unserem Balkon nieder. In diesem Seufzer steckt so vieles: Erheiterung, Erschöpfung, ungläubiges Staunen, ja, auch eine latente Überreiztheit. Und die Erkenntnis: in dieser Stadt gibt es nichts, was es nicht gibt. Sie wird uns in den kommenden Tagen einiges abverlangen, aber auch bereichern.
wieder großartig geschildert! Zuviel Lärm im Hotel ist zwar nichts für mich, aber diese lebendige Stadt scheint sehr reizvoll. Bin wieder gespannt auf den 2. Teil
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Danke! Im Apartmenthaus selbst war es ja total ruhig. Die Umgebung drumherum war halt sehr laut. Aber in Istanbul ist es sicher nicht so einfach, eine ruhig gelegene Unterkunft zu finden, die nicht zu sehr ab vom Schuss ist.
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Schöner Bericht! Es kommt mir vor, als wäre ich selbst im quirligen Istanbul unterwegs gewesen.
Schwierigkeiten mit der Kreditkarte hatte ich am Anfang meiner Andalusienreise bei jeder Hotelbuchung durch Booking. Meistens reichte es die Kartendaten noch einmal einzugeben, aber einmal funktionierte es nicht gleich, was zu einem längeren Nachrichtenaustausch führte, der während der Stadtbesichtigung etwas nervte. Seit ich meine (bisherige) Karte bei Booking genauso noch einmal eingegeben habe, ist alles paletti.
Abschließend eine vielleicht dumme Frage, wozu braucht man dieses Raketenteil beim Fotografieren?
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Hallo wanderlustig, das Raketenteil ist ein Luftbläser. Da wir häufig die Objektive wechseln (müssen), kann Staub auf die Rückseite des Objektivs oder auf den Sensor der Kamera kommen. Dies würde dann auf dem Foto sichtbar und viele Eingriffe in Lightroom und/oder Photohop bedürfen, diese zu beseitigen. Also „pusten“ wir lieber ab und zu. ;-).
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Danke! Objektive wechseln ist nicht so mein Dinge. Hatte allerdings schon eine Kompaktkamera, bei der irgendwie Staub auf die Linse gelangt war und den man nicht ohne weiteres entfernen konnte. Die Sensorflecken musste ich dann jeweils mühsam mit Lightroom entfernen.
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Ja, das kann dann richtig lästig, weil arbeitsintensiv werden.
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Danke, Inga! Ja, die Tücken mit der Zahlung tauchen halt hier und da auf. Blöd nur, wenn das auftritt und akutes Handeln erfordert, wenn man schon unterwegs ist. Das nervt mich dann auch etwas. Die Sache mit der Rakete hat Stefan ja schon erklärt.
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Da ist ja ganz schön was los! Ich war vor einigen Jahren in Istanbul, da waren die Straßen wie ausgestorben. Opferfest. Da auch die meisten Sehenswürdigkeiten und Märkte geschlossen waren, ist das aber auch nicht wirklich zu empfehlen. 😅
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Ja, als wir da waren, war es überall brechend voll. Der September ist halt generell ein Hauptreisemonat für Städtereisen. Wir fanden es ziemlich grenzwertig und haben es so geballt bisher noch in keiner Großstadt empfunden. Eine Bekannte von mir war hingegen im August dort und berichtete, dass es sich so mitten im Hochsommer angenehm in Grenzen hielt mit den Massen. Aber wenn dann wie bei dir fast alles geschlossen hat, ist es natürlich auch nicht so optimal 😅. Zum Fotografieren aber hätten wir uns schon etwas mehr Leere an der einen oder anderen Stelle gewünscht. Na ja, es war, wie es war 🤷🏽♀️.
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Istanbul hatte ich noch nie auf meinem Plan. ‚War bisher nur einmal in der Türkei bei einem Urlaub in der Nähe von Side ( Türkische Riviera ).
Es hat dort wirklich alles gepasst aber ich hatte trotzdem immer das Gefühl dass die Freundlichkeit teilweise gespielt war. Oft zu freundlich ! Vielleicht täusche ich mich ja aber es hat schon einen Eindruck bei mir hinterlassen. Wenn man mich heute fragen würde ob ich wieder in die Türkei reisen würde, würde ich es vermutlich verneinen.
So nun aber zu deinem Beitrag! Wie immer interessant und manchmal auch schmunzeln zu lesen. Die Fotos wie immer perfekt und die Bilduntertitel passend aber das kennen wir ja !!
Da ich ja ein Fan von Nachtfotos bin muss ich natürlich das Foto „Leuchtendes Beispiel“ erwähnen.
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Bei mir war es auch mein erstes Mal Türkei. Und ich muss gestehen, dass es mich von der Atmosphäre her auch nicht so gepackt hat, auch wenn Istanbul an sich schon eine Menge zu bieten hat. Kappadokien würde mich eventuell noch reizen. Aber das war es dann auch schon. Griechenland und Spanien sind mir von der Mentalität her da schon lieber.
Freut mich, dass dir mein Beitrag gefallen hat! Und danke für die Komplimente zu den Fotos und den Untertiteln.
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Verfolge deine Beiträge immer sehr gerne und macht Spaß sie zu lesen und von den Fotos und den Untertitel kennst ja meine Meinung !
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Sehr schön zu hören. Danke!
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Was Kappadokien betrifft musste ich erst mal googeln wo das überhaupt ist !!
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Na dann weißt du jetzt ja Bescheid 👍!
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Ein Blasebalg in Form einer… (was immer das ist?), das ruft unweigerlich Aufmerksamkeit hervor 🙂 Vor allem da die Sicherheitsdienste in Istanbul nach dem Putschversuch eine recht kurze Zündschnur haben. Die Szene erinnert mich irgendwie an Stefan und seine Banane, dazu die scherzhafte Bemerkung, er hätte da eine „Glock“… Fand der Beamte bei der Sicherheitskontrolle nicht lustig. Spaßbremse 🙂
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Die Rakete dient dazu, Schmutz von den Objektiven und dem Sensor der Kameras zu pusten. Der Slapstick hat sich allerdings nicht in Istanbul, sondern am Flughafen in Berlin ereignet. Bei der Einreise in die Türkei gab es keine Gepäckkontrolle.
Die Geschichte mit Stefan und seiner Bananen-Glock ist natürlich der Hammer! In den USA wäre er damit vermutlich im Knast gelandet 😅.
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Echte Geschichten, die das Leben erzählt 🙂
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So isses 😎.
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