11. – 12. November 2021
Mein Bus, der mich von Málaga nach Granada bringt, fährt erst um 10 Uhr. Ich kann es also langsam angehen lassen. Und den knappen Kilometer zum Busbahnhof schaffe ich locker zu Fuß.
Mit Jorge komme ich schon in der Schlange vor dem Einsteigen ins Gespräch. Im gut gefüllten Bus ergattert er eine freie Reihe, lädt mich zu sich ein und überlässt mir den Fensterplatz wegen der besseren Aussicht. Der sympathische Mittdreißiger arbeitet als Dozent an der Universität von Málaga, wo er Übersetzung (spanisch/englisch) unterrichtet. Er ist ein waschechter Málagueño, pendelt aber beruflich und privat viel nach Granada und Córdoba. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Und so vergeht die eineinhalbstündige Busfahrt in Windeseile. Er erzählt viel über die Landschaft, durch die wir fahren, und hinterlässt mir auch ein paar Restauranttips für die Städte, die auf meiner Reiseroute liegen.

Ankunft in Granada am späten Vormittag. Mein Hotelzimmer ist noch nicht bereit für mich. Stattdessen deponiere ich mein Gepäck an der Rezeption und drehe gleich eine erste Runde durchs Städtchen. Was mir sofort auffällt: Es ist hier deutlich kälter als in Málaga! Gestartet bei fast frostigen 4 Grad, schafft es das Thermometer gegen Mittag auf gerade einmal 14 Grad. Im Laufe des Tages verspricht meine App maximal 18 Grad. 500 Höhenmeter und die Nähe zur Sierra Nevada hinterlassen ihre kühlen Spuren.

Bevor es losgeht, sage ich ein paar Worte zu der Stadt. Ist von Andalusien die Rede, denken die meisten an Granada und die Alhambra vor der nicht minder sehenswerten Kulisse der Sierra Nevada. Sehnsuchtsort, Heiliger Gral der maurischen Baukunst, Traumstadt. Kein Superlativ scheint zu hochgegriffen für das quirlige Universitätsstädtchen mit seinen rund 240.000 Einwohnern. Romantisch verwinkelte Gässchen durchziehen die Altstadt und hier besonders im ältesten Viertel der Stadt, dem Albaicín. Die Gastroszene ist lebhaft, innovativ und immer gut besucht. Kleine Lädchen reihen sich aneinander. Die Atmosphäre ist südländisch heiter, der abendliche Blick auf das meistbesuchte Monument Spaniens phänomenal. Das genügt euch nicht? Ihr wollt mehr? Dann schaut gerne hier für mehr Details.
Die Altstadt beginnt praktisch direkt vor der Haustür meines Hotels. Granada packt mich von Beginn an mit seinem Charme und seiner Schönheit. Es geht deutlich touristischer zu als in Málaga, wirkt auf mich aber zumindest an diesem frühen Nachmittag hier in der Altstadt nicht überfüllt.





Was mir wie auch schon in Málaga direkt ins Auge springt, ist die allgegenwärtige Weihnachtsbeleuchtung auf den Straßen. Das geht in Berlin Mitte November meist ebenfalls schon los. Doch hier, im deutlich milderen und sonnigeren Andalusien mutet dies doch, hm, wie soll ich es sagen, irgendwie unpassend an. Verbinden wir Mitteleuropäer Weihnachten doch eher mit winterlicher Atmosphäre, kahler Natur, dunklen Tagen und niedrigen Temperaturen.
Am Ufer des Río Genil streife ich am Rande des arabischen Viertels entlang. Das Eintauchen ins Albaicín jedoch hebe ich mir für morgen auf.


Nun schlendere ich zurück zum Hotel, beziehe mein Zimmer und lasse mich nach einer kurzen Siesta auf Empfehlung von Jorge einmal quer durchs Realejo treiben. Das ehemalige Judenviertel präsentiert sich heute als vielseitiges und multikulturelles Viertel, unaufgeregt, beschaulich und schön zugleich.


Wieder zurück zum Hotel. Um 18 Uhr bin ich verabredet. Großes Wiedersehen mit meinen saarländischen Freunden Anita und Horst! Wir schlendern bei einbrechender Dämmerung durch die Altstadtgassen hoch zum Mirador San Nicolás und genießen die tolle Aussicht auf die Alhambra. Später sitzen wir bei Bier und Tapas draußen in einer der unzähligen kleinen Kneipen der Altstadt und verbringen einen wunderbaren Abend zusammen, bis wir bei nun doch sehr schattigen 9 Grad irgendwann ordentlich durchgefroren sind. Nun aber flott ins warme Hotelbettchen!
Bei frostigen vier Grad und strahlender Sonne nehme ich am nächsten Morgen gleich in der Frühe den kleinen Aufstieg zur Alhambra in Angriff. Während ich dankbar meine Handschuhe überstreife, lobe ich mich insgeheim für meinen Geistesblitz beim Packen, selbige mitgenommen zu haben. Bis die Tageshöchsttemperatur von 14 Grad erreicht ist, soll es dann doch bis zum frühen Nachmittag dauern.
Die sich über 750 Meter Länge erstreckende Anlage der Kala al hambra (auf gut deutsch ‚Rote Burg‘) besteht aus mehreren, baulich und inhaltlich sehr unterschiedlichen Teilen. Sie gilt als Höhepunkt islamischer Baukunst.
Bis zu meinem vorab gebuchten Zeitfenster für den Besuch der Nasridenpaläste ist noch genügend Zeit, in aller Ruhe die übrigen Teile der Anlage anzusehen. Ich beginne mit den Resten der Zitadelle (Alcazaba), die den Festungs- und Verwaltungsbereich bildete. Hier geht es an diesem noch recht frühen Morgen beschaulich und ruhig zu. Viel ist hier nicht mehr zu sehen, doch die Aussichten auf die Altstadt, die Kathedrale und die bergige Umgebung beeindrucken mich sehr.




Anschließend streife ich noch durch weitere Teile der Anlage, die unter anderem aus dem Carlos Palast und einer Kirche bestehen.



Und dann ist es soweit. Die Schlange vor dem Eingang zum Herzstück der Alhambra, den berühmten Nasridenpalästen, sieht schlimmer aus als sie ist. Bereits nach zehn Minuten bin ich drin. Doch die engen Paläste sind bis zum Bersten vollgestopft mit Besuchern. Ein Graus! Es ist kein freies Laufen möglich. Im Gänsemarsch muss ich hinter den Massen her trotten. Mehrere größere Gruppen sind im Rahmen einer Führung unterwegs. Unfreiwillig muss ich einer unerträglichen Kakophonie von gleichzeitig ablaufenden Vorträgen lauschen, die in voller Lautstärke die Räume beschallen.
Es gibt zu keinem Moment auch nur die geringste Möglichkeit, die Ausstrahlung und die magische Pracht der fantastischen Architektur in Ruhe zu genießen. Es gelingt mir wegen der drangvollen Enge auch nicht, für Innenaufnahmen den Filter vom Objektiv meiner Kamera zu schrauben. Nö, so macht das keinen Spaß. Nichts wie raus hier! Gerne würde ich meinen Abgang beschleunigen, so schön die Paläste auch sind. Aber noch nicht mal zum Überholen ist genug Platz 😅. Tja, Pech auch für euch. Denn die Fotoausbeute ist überschaubar. Ich habe es einfach relativ schnell sein lassen. Aber ganz leer sollt ihr dann doch nicht ausgehen.






Draußen in den Gärten hinter den Palästen ist es dann wiederum recht angenehm. Ich atme durch, genieße den Anblick und bin für den Moment wieder versöhnt mit den Umständen.

Weiter zum Sommerpalast Generalife. Dort wiederholt sich das gleiche Spiel wie bei den Nasridenpalästen. Zu viele Menschen auf einem Haufen. Selbst beim Spaziergang durch die Gartenanlage muss ich mich dem Stautempo unterordnen. Mein bahnbrechender Vorschlag: verdoppelt einfach den Eintrittspreis (aktuell überschaubare 14 Euro) und halbiert dafür die Menge der Besucher, die zeitgleich herein dürfen. Dann könnte man den Besuch auch genießen.


Am frühen Nachmittag laufe ich zurück zum Hotel, wo ich eine zweistündige Siesta einlege. Später drehe ich eine weitere Runde durch die Gassen des wunderschönen Albaicín, wo mir das eine oder andere Detail auffällt.




Zufällig treffe ich meine saarländischen Freunde vor ihrer Lieblingsbar am Geronimoplatz, geselle mich kurz dazu und setze dann meinen Weg fort. Es zieht mich zu dem berühmten Aussichtspunkt Mirador de San Nicolás, der den ultimativen Blick auf die Alhambra bietet. Dort lasse ich mich für eine ganze Weile nieder, um diesem Ort zu verfallen.
Der Tag neigt sich seinem Ende entgegen und macht Platz für die Magie des Lichts und der unbeschreiblich schönen Atmosphäre dieses Settings. Gute Aussichten, trotz der Menge an Leuten eine entspannte Stimmung, passende Livemusik (hört doch mal rein!), …

… das Wechselspiel des Lichts, ein Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch – was will ich mehr? Nichts. Außer vielleicht die Zeit anhalten ♥️.





Nach Einbruch der Dunkelheit löse ich mich von dem fesselnden Anblick und gehe zum gemütlichen Teil des Tages über. Anita und Horst haben mich zum Abendessen in ihr Apartment eingeladen. Dort verbringen wir einen weiteren gemeinsamen schönen Abend. Wie wunderbar, dass unser Treffen hier in Granada geklappt hat! Ich habe es sehr genossen.
Granada, wie wunderschön und toll, dass Du es doch dorthin geschafft hast. Neben Cordoba war Granada mein Highlight. Vieles habe ich wiedererkannt, danke für Deinen Bericht.
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Ja, ich bin auch sehr froh, dass ich Granada noch eingebaut habe, auch wenn es für meinen Routenverlauf einen Umweg bedeutete. Ich fand es toll! Córdoba mochte ich aber noch einen Tick mehr. Ich werde berichten 😎.
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Die Fotos von der Blauen Stunde sind einfach phantastisch ! Großes Lob von mir !!!
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Danke!
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Eigentlich gehörte Granada und die Alhambra zu unseren Sehnsuchtsorten. Nach deinem Bericht und Fotos bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich denke, da gibt es andere Orte, wo es mich im Moment mehr hinzieht: Schottland, Island, Norwegen …. Leider alles sehr teure Länder.
Einen schönen Sonntag von Susanne
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Ach, die Stadt an sich fand ich schon toll, und auch die Sicht vom Hügel gegenüber der Alhambra wird mir ewig in guter Erinnerung bleiben. Es war tatsächlich nur der Besuch der Anlage selbst, der ziemlich nervig war wegen der Massen.
Nun zieht es dich mittlerweile mehr in den Norden. Ich bin dagegen schon eher der Südfan, zumindest außerhalb der Sommermonate 😎.
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So ein wenig Sommer und Sonne 🌞 in der schmuddeligen Jahreszeit ist ja schon toll!
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Absolut!
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Deine Sonnenuntergangsbilder von der Festungsanlage sehen wunderschön aus. Wie das Gelb leuchtet. Leider sind tolle Orte oft überfüllt, doch meistens sind sie es wert, besucht zu werden (das sage ich jetzt mal so mutig ins Blaue, ich war selbst noch nie da). Du scheinst deinen Besuch trotzdem genossen zu haben, das ist schön.
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Danke, Kasia 😎. Ja, ich habe Granada wirklich sehr genossen. Genervt hatte mich nur der Besuch der Alhambra. Die Stadt selbst fand ich großartig! Und den Blick auf die Festung vom Hügel gegenüber werde ich wohl in diesem Leben nicht mehr vergessen. Stimmt, alle wollen die tollen Orte sehen. Ein Recht auf Exklusivität kann man nicht erwarten. Ich finde halt nur, dass man die Massen in der Alhambra durchaus besser regulieren könnte, indem man einfach weniger Leute zur gleichen Zeit reinlässt. Ich zumindest wäre bereit, dafür auch mehr Eintritt zu zahlen. Auch das Getöse der parallel laufenden Führungen könnte man unterbinden. In der Mezquita in Córdoba zum Beispiel darf nicht laut gesprochen werden (klar, in einem Gotteshaus vielleicht auch leichter durchzusetzen, auch außerhalb der Gottesdienste). Die Guides könnten ja draußen was dazu erzählen und dann ihre Lemminge, äh, Leute alleine und in aller Stille durch die Anlage laufen lassen. Was wäre das für ein Genuss! Und es wäre der Würde des Ortes auch so viel angemessener.
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Ich finde es sowieso viel schöner, wenn ich als Lemm… ähm… Besucher 😉 einen Ort zunächst mal in Ruhe erkunden kann. Einfach rumlaufen, das alles auf sich wirken lassen, seine Fotos machen. Danach können mir meine Sklaventreiber, pardon: Guides… alles wissenswerte darüber erzählen, was es gibt. Leider hat sich das bei ganz wenigen herumgesprochen…
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Genauso geht es mir auch! Ich muss erst mal ankommen und „Witterung aufnehmen“. Ich habe aber zunehmend den Eindruck, dass wir da zu einer aussterbenden Spezies gehören. Den meisten Besuchern scheint es zu genügen, wenn sie da mal schnell durchlaufen und hinterher sagen können, das sie da waren. Und wieder ein To do abgehakt 😅.
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Ach, Elke’s Berichte sind immer wieder schön!!! Seufz…
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