Per Taxi zur Corniche. Mittlerweile habe ich eine gewisse Routine darin entwickelt, die Wahrheit so zu verbiegen, dass sich der penetrante Verkaufs-Monolog des jeweiligen Fahrers abkürzt. Selbstverständlich habe ich schon alle Sehenswürdigkeiten der Stadt gesehen. Ausflüge in die Umgebung unternehme ich natürlich mit Freunden in deren Mietwagen. Die holen mich heute Nachmittag direkt vor dem Hotel ab. Thema beendet. Na ja, fast …

Zehn Minuten lang muss ich mir dann das Gejammer meines Fahrers anhören, dass sich so viele Touristen ein Ticket für den Big Bus (das ist der hiesige Hop-on-Hop-off- Anbieter) für ein oder zwei Tage kaufen, statt sich für nur wenige Rial mehr vier Stunden lang von ihm zu ALLEN Sehenswürdigkeiten der Stadt kutschieren zu lassen. Denn das böse Busunternehmen lasse doch glatt die zwei wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, nämlich das Opernhaus und die Große Moschee aus.

Letzteres stimmt sogar. Was der gute Mann jedoch völlig außer Acht lässt – vermutlich liegt es auch komplett außerhalb seines Vorstellungsvermögens -: In vier Stunden alle Sehenswürdigkeiten abzuklappern funktioniert nur, wenn man schnell aus dem Taxi springt, rasch ein Foto macht und sofort zum nächsten Objekt der Begierde rast. Verweilen, umschauen, genießen, herumlaufen, sich in der Gegend verlieren und Unerwartetes entdecken funktioniert so jedenfalls nicht.

Da ich von gestern Abend noch geprägt bin – der Taxifahrer wollte allen Ernstes an der Oper auf mich warten, um auch die Rückfahrt zum Hotel abzugreifen und wollte mir nicht glauben, dass ich hier etwa 45 Minuten bis eine Stunde gedenke mich herumzutreiben – , weiß ich, dass die das eh nicht kapieren. Und so schweige ich und nehme ergeben die aufgedrängte Visitenkarte an mich. Klar rufe ich mit meinem Mobiltelefon mit deutscher SIM-Karte extra DIESEN Taxifahrer an für die nächste Fahrt, wo sich doch nur gefühlt 30 andere direkt vor meiner Nase tummeln werden 😅. Nun aber Schluss mit dem Thema.

An der Corniche angekommen, erstehe ich – drei Mal dürft ihr raten! – ein Zweitagesticket für den Big Bus. Die fahren von morgens bis abends alle 30 Minuten, bieten ein Open-Air-Deck oben, viele Infos via Kopfhörer und – wer es braucht – ein flottes WLAN. Man kann so oft ein- und aussteigen, wie man möchte, überall beliebig lange bleiben und wann auch immer den nächsten Bus entern.

Gleich beim zweiten Stopp hüpfe ich raus. Sein Name lautet „Churches and Temple“, und er hält, was er verspricht. Auf einem recht großen Gelände in zentraler Lage tummeln sich hier diverse Gebetsstätten aller Weltreligionen. Blitzblank ist das gesamte Gelände, wozu sicherlich der eifrige Gebrauch von naturbelassenen Besen beiträgt.

Nach einer Weile auf in den nächsten Bus. Wir fahren vorbei an auffällig vielen neuen Krankenhäusern und erfahren, dass sich der Oman, dessen Einkommen zu mehr als 60% vom Öl abhängt, zunehmend um weitere wirtschaftliche Standbeine bemüht. Und so gesellt sich zum normalen Tourismus neuerdings der Medizin-Tourismus.

Vorbei an schönen weltlichen und sakralen Gebäuden …

… nähern wir uns dem CBD (Central Business District) im Stadtteil Ruwi, wo sich einst der alte Flughafen der Stadt befand, bevor ihr rasantes Wachstum begann. Voller Vorfreude verlasse ich auch an diesem Stopp den Bus. Doch wie sich schon bald herausstellt, fällt der CBD eindeutig in die Rubrik „Nicht das, was Sie erwarten!“

Heimlich, still und leise hatte ich nämlich gehofft, zur Abwechslung einmal ein paar meiner geliebten modernen Gebäude aus Glas, Beton und Stahl zu Gesicht zu bekommen. Aber nicht in Muscat, wie es scheint. Trotzdem lohnt die Ecke für einen kurzen Bummel. Hochhäuser gibt es kaum, nur ein paar modernere Bürogebäude, in denen Banken und sonstige Unternehmen untergebracht sind. Darüber hinaus finden sich hier die in der ganzen Stadt üblichen flachen Gebäude mit kleinen Lädchen drin. Und ein ansehnlicher Uhrenturm.

Und wieder in den nächsten Bus. Bis zum nächsten Stopp haben wir eine längere Fahrtstrecke durch die weitläufige Stadt vor uns. Es macht Spaß, zur Abwechslung einmal faul und bräsig im Bus herumzulungern, sich den kräftigen Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen und dem munteren Treiben unten auf den Straßen zuzuschauen. Zwischendurch immer wieder freie Strecken mit viel Landschaft, dem Hajar-Gebirge sei Dank.

Konsequenterweise lasse ich den nächsten Stopp am Parlament ausfallen und begnüge mich mit einem Foto oben aus dem Bus heraus. Das ist in dem Fall vermutlich auch die sicherere Variante. Denn beim Fotografieren von Gebäuden polizeilicher, militärischer, politischer und auch infrastruktureller Art (z. B. Flughäfen oder Brücken) ist im Oman Vorsicht angesagt. Einmal unbedacht auf den Auslöser gedrückt, und schon kann der Chip oder gleich die ganze Kamera weg sein. Und so banne ich im Schutze des Busses nur schnell und heimlich ein Foto des Parlaments auf den Chip. Wer weiß …

Nächster Stopp Alt-Muscat. Raus mit mir! Beim Regierungswechsel 1970 war der Verwaltungsapparat so überschaubar, dass er genügend Platz in der Altstadt fand. Heute befinden sich hier noch das Finanzministerium und das Sekretariat des Sultans. Wie ich gleich zu Beginn bemerke, ist es hier am frühen Nachmittag recht ruhig und entspannt. Auch die Schar der Besucher hält sich in Grenzen. Kurz die „Einflugschneise“ in den Bezirk gecheckt, …

… und dann hinein ins sehenswerte Nationalmuseum, um ein wenig Bildung einzuatmen. Die Lage dieses Museums für Völkerkunde in der verlängerten Achse gegenüber dem Sultanspalast wird der Bedeutung des Hauses gerecht.

Auf zum Sultanspalast, offiziell bekannt unter dem Namen Qasr Al-Alam, was übersetzt so viel wie „Haus des Wissens“ bedeutet. Über die etwas arg pompös ausgefallene Prachtallee gelange ich an den kuriosen und kunterbunten Palast, bei dem sich ein indischer Architekt ordentlich ausgetobt hat. Der Prachtallee mussten einige historische Bauten weichen, was die Umgebung sicherlich etwas an Charme hat verlieren lassen.

Bis 1970 stand, ebenfalls direkt an der Bucht gelegen, der alte Lehmpalast. Sultan Qaboos ließ ihn abreißen und durch den besagten, etwas eigenwilligen Neubau ersetzen. Der Sultan hat hier sein Büro. Hauptsächlich aber dient der Bau repräsentativen Zwecken bei Staatsbesuchen. Nun wäre es an dieser Stelle naheliegend und angebracht, ein paar Worte zum Staatsoberhaupt des Oman zu verlieren. Doch ich vertröste euch auf morgen, auf dass ich dann auch noch was zu erzählen habe 😎. Hier meine fotografischen Eindrücke, entlang gehangelt an meiner tatsächlichen Annäherung an die Palastanlage:

Weiter Richtung Bucht. Um den Hafen zu schützen, haben die Portugiesen gegen Ende des 16. Jahrhunderts zwei Festungen errichtet, die auf die klangvollen Namen Mirani und Jalali hören. In letzterer ist heute das private Museum des Sultans untergebracht. Mirani dient der Unterbringung der Königlichen Garde. Von daher sind beide Festungen nicht zugänglich. Doch immerhin bieten sie einen erhabenen Anblick! Bei dem Schmuckstück in blau auf dem ersten der folgenden Fotos handelt es sich um die Alkhor Moschee.

Ich vollende die Runde durch das still und verlassen daliegende Alt-Muscat und genieße noch den einen oder anderen hübschen Anblick, …

… bevor ich mich vom nächsten Bus zurück an die Endstation an der Corniche von Mutrah kutschieren lasse.

Höchste Zeit für eine Fotosession mit dem Alten Sack und seinem gestern erstandenen Brautgeschenk! Die Omanis, die meinen Weg kreuzen, haben jedenfalls ihre helle Freude daran, mich bei meinem Tun zu beobachten 😅.

Da der Einbruch der Dämmerung noch ein wenig auf sich warten lässt, vertrödele ich die Zeit vor dem Eingang des Souks und betrachte das pralle Leben, das sich vor meinen Augen abspielt.

Als die Sonne ihren Feierabend einläutet, mache ich es mir auf dem schwimmenden Ponton im Hafen gegenüber der Corniche gemütlich. Dort probiere ich aus, was fototechnisch so geht, wenn man nicht nur das Stativ auf einem beweglichen Untergrund aufstellt, sondern zusätzlich noch (running gag!) den Polfilter nicht mehr vom Objektiv herunter gedreht kriegt 😅. Ergänzung für die nächste Packliste: Kabelbinder!!! Nun denn … Gute Nacht!

16 Gedanken zu “Tag 14: Muscat – Ein Kessel Buntes

  1. „God Sees you“. Jawohl, denn ER ist unser Optiker… Er ist kurzsichtig und weitsichtig zu gleich 🙂
    Bist Du eigentlich echt auf Entzug bezüglich der Skyscraper? Du kannst ja auf der Rückreise noch einen Abstecher in den (anderen) Emiraten machen…

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    1. Gott als Optiker. Das hat was! @ Skyscraper: ich bin diesbezüglich nicht wirklich auf Entzug, hätte es aber als willkommene Abwechslung durchaus mal geschätzt. Der Rückflug ging ja tatsächlich über Dubai 😅! Aber da war ich vor einem Jahr ja schon.

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    1. Tagsüber hatte ich in Muscat so zwischen 26 und 28 Grad, also sehr angenehm. Abends kühlt es in der Tat dort lange nicht so stark ab wie in der Wüste. Auch nach Einbruch der Dunkelheit waren es noch gefühlt über 20 Grad, also T-Shirt-Wetter. Eine Jacke habe ich auch abends nicht gebraucht.

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  2. „God sees you“ fand ich auch gleich etwas gruselig.😅 Nun ja, die Taxifahrer haben es schon nicht leicht. Ich darf mir das ja auch fast jeden Tag auf Arbeit anhören.😂 Die kennen so etwas wie Sightseeing scheinbar nicht wirklich, schon gar nicht verbunden mit der ewigen Suche nach dem perfekten Fotomotiv. Nachmittags ist wahrscheinlich alles wegen der Hitze leer. Wenn dich da jemand sieht, erklärt er dich wahrscheinlich für verrückt…erst recht mit dem Alten Sack zusammen.🤣
    Warum eigentlich Kabelbinder? Wegen dem Einrasten auf dem Rand vom Polfilter zum herunterdrehen? Ich erinnere mich, dass da mal etwas war.

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    1. @ Taxifahrer: ja, das kann ich mir bei deiner Klientel lebhaft vorstellen 😅. @ Sightseeing: jedenfalls die etwas zeitintensivere Variante scheint ihnen fremd zu sein. Und es geht ja nicht nur um die Fotos, sondern auch ums gelegentliche Verweilen und Schauen. Gut möglich auch, dass die vielen Kreuzfahrt-Touristen mit ihrem meist knappen Zeitbudget den Maßstab setzen: raus aus dem Auto, schnell geknipst, sofort wieder rein ins Auto und weiter. @ Leere am Nachmittag: ich hatte zudem auch den Eindruck, dass sich die meisten Touris nur kurz vor dem Sultanspalast absetzen lassen, kurz einen Blick über die Bucht mit der Rückansicht des Palastes und den beiden Festungen werfen und sonst nichts in der Altstadt ansehen. Die wären also schon ein passendes Publikum für die Taxifahrer 😎. @ Alter Sack und ich: ja, die haben uns bestimmt für total bekloppt gehalten! Nur das Kamel wirkt völlig normal … @ Kabelbinder: Genau! Wegen des Einrastens. Nach meinem diesbezüglichen Desaster 2017 in Neuseeland (auch die Jungs in den diversen Fotoläden haben sich da vor lauter Angst, den Filter zu zerbrechen, nicht herangetraut) hat Stefan das Teil zuhause ruckzuck mit einem Kabelbinder von der Kamera getrennt – ohne Schäden.

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      1. Dachte ich mir (das mit dem Kabelbinder). Hatte auch schon mal Probleme, die Filter runterzubekommen.😉 Vom Polfilter bin ich aber mittlerweile eh abgekommen. Zu viel Einstellerei für verhältnismäßig wenig Wirkung. Die Kameras und Bildbearbeitungsprogramme sind heutzutage alle so gut, dass zumindest dieser Filter obsolet geworden ist. UV-Filter drauf und fertig.😊

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  3. Also punkt 1 finde ich das erste Foto super von der Perspektive her. Was mir auch sehr gut gefällt sind die letzten 2 Fotos ! Den gelben Himmel finde ich so toll.
    Vorsicht bei fotografieren von öffentlichen Gebäude oder militärischen Anlagen ist immer ein heikles Thema, auch in meinem Lieblingsland „Griechenland“ ! Hier musst du auch immer auf der „Hut“ sein !!!

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  4. Die Stadt wirkt etwas steril und verlassen auf mich, kann es sein? Es sieht so leer aus…
    Die Abendbilder gefallen mir, die haben so eine ruhige, schöne Stimmung.

    Liebe Grüße
    Kasia

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    1. Dass die Stadt auf den Fotos so leer und deshalb etwas steril rüberkommt, hat zwei Gründe. Zum einen habe ich die Angewohnheit, zu warten, bis möglichst wenige Leute im Blickfeld sind, bevor ich auf den Auslöser drücke – es sei denn, sie passen mir dramaturgisch in den Kram 😎. Zum anderen ist Muscat eine sehr weitläufige Stadt, die eher auf Autofahrer als auf Fußgänger ausgerichtet ist. Fast könnte man sagen, dass die Art des Stadtgefüges US-amerikanisch anmutet. Nur in Mutrah, wo der große Souk, die Promenade und neuerdings das große Kreuzfahrt-Terminal sind, ist in der Regel Menschengetümmel. Hinzu kommt, dass ich Old Muscat an diesem Tag um die Mittagszeit herum besucht habe. Da sind eh meist weniger Leute unterwegs.

      Die meisten Touristen lassen sich auch gezielt zu den teilweise sehr weit auseinander liegenden Sehenswürdigkeiten kutschieren. Kurz aus dem Bus oder Taxi ausgestiegen, schnell ein Foto gemacht und wieder weitergefahren. Die meisten laufen da nicht länger herum. Die Einheimischen indes findest du eher in den Abendstunden an Stellen, wo es sich gut flanieren lässt.

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      1. Die Mittagszeit, ja, das wird es wohl sein 🙂 so habe ich es auch in Katar erlebt, da haben wir uns mit einem dieser Taxis (ja ja, Schande über unser Haupt, aber wir wussten es nicht besser…) herumkutschieren lassen. Abends dann sah es schon etwas lebhafter aus.

        Doha war auch komplett auf Autofahrer ausgerichtet. Ich glaube, das Prinzip des Herumschlenders ist dort, abgesehen von den Shoppingmals, gänzlich unbekannt… 😉

        Liebe Grüße
        Kasia

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