Als ich am Morgen das Haus verlasse, geht ein zarter Regen an den Start. Egal, er wird bestimmt schon bald wieder versiegen.

Unbeeindruckt fahre ich mit dem Bus zu einem der drei Bahnhöfe von Nizza, und zwar zu dem, der für mich am schnellsten zu erreichen ist: Riquier. Dort steige ich in den nächsten Zug nach Menton nahe der italienischen Grenze.

Nizza ist nicht nur eine tolle Stadt, sondern bietet sich auch als idealer Ausgangspunkt für Tagesausflüge ins Umland und zu anderen Orten entlang der Riviera an. Der öffentliche Nahverkehr ist hervorragend ausgebaut und bezahlbar. Die Züge fahren tagsüber circa alle 20 Minuten. Man muss sich also noch nicht einmal mit den Fahrplänen beschäftigen, denn der nächste Zug lässt immer nur kurze Zeit auf sich warten. Perfekt für mich!

An dieser Stelle noch ein Tipp: Es fahren auch Busse von Nizza nach Menton. Die Fahrt dauert zwar etwas länger als die Zugfahrt. Aber die Strecke führt nicht nur direkt an der Küste entlang, sondern geht auch einmal quer durch Monte Carlo. Eine Stadtrundfahrt ohne Zusatzkosten ist also inklusive, natürlich ohne Erläuterungen. Beim letzten Besuch nahm ich auf der Hinfahrt den Bus und auf der Rückfahrt den Zug. Diese Kombination kann ich sehr empfehlen, falls ihr noch nicht dort wart.

Mein Ausflug nach Menton kostet hin und zurück insgesamt 11,40 EUR. Der Bahnsteig ist voll, der nächste Zug auch. Doch es findet sich noch ein Plätzchen für mich. Wie erwartet steigt die große Masse schon nach 15 Minuten wieder aus. Wir sind in Monaco! Das winzige Fürstentum ist DER Anziehungspunkt für Geschäftsleute und Touristen. Doch für mich geht die Reise heute weiter.

Nach weiteren 20 Minuten erreichen wir Menton. Es regnet immer noch, nur unterbrochen von winzig kurzen Regenpausen. Den Schirm wegzupacken, lohnt sich kaum. Aber wenigstens bleibt es weiterhin halbwegs warm. Zarter Optimismus keimt auf, als ich einen Hauch von Blau im Einheitsgrau des Himmels entdecke.

Gut abgeschirmt laufe ich an der Strandpromenade entlang in Richtung des alten Zentrums. Schon bald erreiche ich die kleine Fußgängerzone. Es regnet unverdrossen weiter. Ach, sitze ich die Dusche doch einfach bei einem ausgiebigen Kaffee aus! Und siehe da: gegen Mittag legt eine unbekannte Macht den Schalter um. Ab jetzt gibt‘s Sonne satt, auch die Temperaturen legen noch eine Schippe drauf und landet bei immer noch angenehmen 24 Grad.

Menton mutet beschaulich an. Wer auf Partys und ein ausschweifendes Nachtleben steht, ist hier fehl am Platz. Das milde Klima mit seinem Hang zur Treibhausqualität fällt selbst an der sonnenverwöhnten Côte d’Azur aus dem Rahmen. Hier reifen nicht nur Zitronen und Bananen in Freilandhaltung, sondern auch die Menschen. Glaubt man den Statistiken, so besteht ein Drittel der hiesigen Bevölkerung aus Ruheständlern, die wegen der ganzjährig angenehmen Temperaturen aus dem ganzen Land hierher kommen, um zu bleiben.

Die kleine Fußgängerzone ist schnell durchschritten. Der Himmel lichtet sich nur zögerlich, doch es bleibt trocken.

Von hier aus ist es nicht weit zum alten Hafen, der, wie ich schon von meinem letzten Besuch weiß, die ultimative Postkartenperspektive auf die am Hang liegende Altstadt bietet. Passend dazu setzt sich nun auch endgültig die Sonne durch.

Gemächlich und ausgiebig den Anblick bewundernd nähere ich mich der Altstadt und erklimme Stück für Stück den Hügel. Der Weg hinauf ist nicht sonderlich weit, aber ziemlich originell und sehenswert.

Vom Platz vor der Kirche nehme ich nun den kürzesten Weg hinauf zum Friedhof. Bevor ich diesen betrete, genieße ich die Aussichten auf das Örtchen, das mir nun zu Füßen liegt. Doch auch der Ausblick auf die Bergwelt im Hinterland ist großartig!

Nun schaue ich mir die alten Gräber an. Und damit ist es Zeit für ein Geständnis, das ich möglicherweise schon an anderer Stelle abgelegt habe: ich stehe total auf alte Friedhöfe mit opulenten Grabmälern. Das hat nichts mit einem möglichen Hang zum Morbiden zu tun, sondern vor allem mit der ruhigen, friedlichen, würdevollen Atmosphäre, die diese Orte ausstrahlen. Die handwerkliche Kunst, die den Grabmälern zu eigen ist, spielt dabei natürlich auch eine Rolle. Dem kann ich mich nur schwer entziehen. Und in diesem speziellen Fall gesellt sich noch die phänomenale Lage oberhalb der Stadt mit Blick aufs Meer dazu.

Irgendwann reiße ich mich los und lasse mich wieder hinunter in den Ort treiben. Jetzt sind die Gässchen dran! Und sie erinnern mich wieder daran, was für ein Kleinod Menton ist. Dieses Licht! Diese Farben! Ja, stimmt, das sage ich über jeden Ort an der Côte d’Azur. Aber hier trifft es noch mal ganz besonders zu.

Wenig später lande ich wieder am Fuße des Altstadthügels. Auf dem Weg zum Meer komme ich noch an der wunderschönen Markthalle und dem modernen Bau des Museums Jean Cocteau vorbei. Beide stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und könnten kaum kontrastreicher sein. Schön sind sie beide auf ihre Art!

Das nächste Stündchen gehört dem Strand, an dem ich ein Weilchen entlang flaniere und die Sonne genieße.

Fast unmerklich lande ich eine Weile später wieder am alten Hafen. Es ist einfach zu schön dort. Ein letzter Blick auf das Postkartenidyll, …

… bevor ich mich auf den Rückweg mache. Dieser serviert mir ein Schild der besonderen Art, das eindeutig besser zur Côte d’Azur als beispielsweise zu Berlin passt 😂. Nein, ich meine nicht den Hinweis auf den einschlägigen Fast Food-Anbieter!

Am späten Nachmittag nehme ich gerne das Angebot an, mich mit dem kostenlosem Elektrobus zum rund zweieinhalb Kilometer entfernten Bahnhof kutschieren zu lassen. Isser nicht süß, der Kleine?

Der nächste Zug gen Nizza ist zwar gut besucht, aber im Gegensatz zu heute Morgen nicht überfüllt. Doch wie schon auf dem Hinweg steigt die große Masse an Fahrgästen erst in Monte Carlo zu. Zurück in Nizza, erstehe ich noch ein frisches Baguette fürs heimische Dinner. Nun steht einem gemütlichen Abend mit Blick auf den Hafen nichts mehr im Weg. Gute Nacht!

6 Gedanken zu “Côte d’Azur – Menton im Rausch der Farben

  1. Postkarten-Idyll, ja, das is Menton. Wir waren schon mehrmals dort, zu Familienbesuch. Hast Du alles wie immer sehr treffend beschrieben, charmante kleine Ode an das Kleinod. Der Friedhof da oben gehört auch zu unseren Lieblingsplätzen mit wunderschöner Aussicht. Diese alten Friedhöfe sagen immer viel über die Geschichte eines Ortes und seiner Familien. Französische und italienische Namen, biensûr. Auch Deutsche – aber v.a. viel Russisches. Aus einer Zeit, als die europäischen Kaiserhöfe und Adligen nicht bellezistisch unterwegs waren. Aus dieser Epoche stammen auch prächtige Villen in Menton. Reiche Russen eben – man mag hoffen, dass sie mehr Klasse hatten als die leider heute immer noch präsenten neureichen Russen-Prolls, die jenseits aller Sanktionen sich im sicheren demokratischen Westen die Sonne auf ihre chirurgisch präparierten Bodies und ihren zweifelhaften Pelz brennen lassen.

    Gefällt 1 Person

  2. An Menton habe ich sehr gute Erinnerungen, weil es das erste Urlaubsziel in meiner Jugend war. Ohne Eltern nur mit Freunden, das war damals der Jackpot.

    Wenn du auf Friedhöfe stehst, kann ich dir den in Genua sehr empfehlen, solltest du mal in der Nähe sein. Da haben sich einige Künstler ganz schön ausgetobt.

    Gefällt 1 Person

    1. @Jackpot: Ja, das glaube ich gerne! Vor meinem geistigen Auge sehe ich da schon Exzesse à la „Der Herr Sinnlosreisende mit den Kumpels in Barcelona“ 🤣! Oder sollte es tatsächlich anders gewesen sein 😇. @Friedhöfe: Genua fehlt mir tatsächlich noch in der Sammlung. Dein Tipp ist notiert. Danke!

      Like

Hinterlasse einen Kommentar