5. Oktober 2021

Gestern habe ich euch etwas verheimlicht. Auf dem Weg zur Van Gogh Stiftung habe ich mir auf unerklärliche Weise eine heftige Zerrung in der rechten Wade zugezogen. Die Ruhephase über Nacht hat nur unwesentlich zu einer Besserung beigetragen. Und so plagt mich auch heute Morgen ein stechender Schmerz bei jedem Schritt.

Deshalb streiche ich den geplanten Ausflug nach Avignon und humpele stattdessen zur nächsten Apotheke. Mal sehen, was der ‚Heilige Bernard’, die französische Antwort auf unser Mobilat, da richten kann.

Ich stelle mich auf einen eher geriatrischen Verlauf des heutigen Tages ein und schleiche von der Apotheke aus gleich ins nächste Café. Heute Morgen hat es recht kühle 11 Grad. Danke, Mistral! Doch im Laufe des Tages schafft es das Thermometer dann auf angenehme 20 Grad.

Nachdem ich in aller Ruhe meinen Kaffee genossen habe, schnappe ich meine Kamera und mache mich auf den Weg ins Amphitheater. Glücklicherweise liegt es direkt vor meiner Haustür, sodass sich der Besuch auch in meinem etwas schwundigen Zustand bewerkstelligen lässt.

Brot und Spiele

Ein paar Worte zur berühmtesten Sehenswürdigkeit der Stadt. Das zum UNESCO- Weltkulturerbe gehörende Amphitheater, wegen seiner Art der Nutzung auch Les Arènes genannt, liegt einige Meter erhöht und ist somit ein Blickfang inmitten der Altstadt. Es wurde im Jahr 90 nach Christus gebaut, kurz nach Vollendung des Kolosseums in Rom. Es ist in etwa halb so groß wie sein römisches Vorbild.

Bis zu 20.000 Zuschauer ergötzten sich hier einst an den Gladiatoren- und Tierkämpfen. Wem das nicht reichte, schaute sich vorab um die Mittagszeit die öffentlichen Hinrichtungen an, deren Opfer anschließend den Tieren zum Fraß vorgeworfen wurden.

Fankurve

Zwischenzeitlich wurden diese gewalttätigen Vergnügungen unterbunden. Stattdessen fungierte die Arena im Folgenden als Zufluchtsort. Dafür baute man Häuser mitten hinein und verwendete dafür unter anderem auch Steine von den Tribünen. Uns schon wurde aus der Arena ein eigenes Stadtviertel!

Im 19. Jahrhundert wurden die Häuser nach und nach abgerissen und die Arena wieder ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Statt ‚Brot und Spiele‘ stand ab jetzt jedoch der Stierkampf auf dem Programm. Heutzutage wird die Arena für traditionelle Feste, Theateraufführungen und Musikveranstaltungen genutzt.

Der Durchbruch

Leider finden auch weiterhin Stierkämpfe statt. Nicht immer handelt es sich dabei um die klassische, sondern oft auch um die provenzalische Variante. Bei dieser werden Trophäen zwischen den Hörnern herausgefischt, und der Stier überlebt immer. Dennoch fällt auch dies in meinen Augen unter Tierquälerei.

Ich lasse mir ordentlich Zeit, das buchstäblich steinalte Bauwerk zu erkunden und auf mich wirken zu lassen. Was bleibt mir auch anderes übrig mit meinem lahmen Bein 😂!

Getürmt

Ein schöner Nebeneffekt ist die tolle Aussicht von oben auf die Stadt. Lassen wir doch mal den Blick schweifen!

Herausragend
Terrassenträume
Überdacht

Nachdem ich mich sattgesehen habe, laufe ich zum heute nicht mehr vorhandenen Gelben Haus knapp außerhalb der Stadtmauer. Van Gogh mietete einst vier Zimmer in diesem Gebäude. Damit es nicht in Vergessenheit gerät, wurde eine Hinweistafel aufgestellt. Natürlich inklusive eines Gemäldes des Meisters.

Gelbstich

Wenn ich gerade schon mal in der Ecke bin, schleiche ich, einer unerklärlichen Eingebung folgend, gleich noch ein paar Meter weiter zum Bahnhof. Und siehe da: seit gestern ist Streik angesagt! Bis morgen früh um acht Uhr soll er andauern. Zwar fahren ein paar Züge. Aber welche und mit welcher Verspätung? Niemand weiß es im Voraus. Nun habe ich endgültig Frieden geschlossen mit dem Umstand, dass aus Avignon und mir heute nichts wurde. Wade hin, Streik her.

Es folgen ein Mittagessen beim Vietnamesen, ein Einkauf im Supermarkt und eine Pause zuhause. Nachmittags raffe ich mich zu einem kleinen und langsamen Rundgang durchs Städtchen auf. Heute ist wieder etwas mehr Leben in der Gässchenbude.

Der Heilige Bernard hat übrigens gute Dienste geleistet. Ich erreiche zwar nicht das übliche Lauftempo. Doch immerhin komme ich nur noch leicht humpelnd voran, und die Schmerzen sind erträglicher geworden. Natürlich lenken mich die zahlreichen fotografischen Kleinode am Wegesrand ebenso ab wie der Spaziergang entlang der Rhône im schönsten Nachmittagslicht.

Abgerundet
Street Life
Kneipenszene
Ausufernd
Himmlisch!

Gegen Abend mache ich mich noch einmal auf zum LUMA. Ich hoffe auf eine gelungene Abendaufnahme. Draußen informiert ein Schild darüber, dass das Gelände bis 20:30 Uhr zugänglich ist. Doch der herannahende Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes weist mich freundlich darauf hin, dass neuerdings schon um 18:30 Uhr abgeschlossen wird. Also genau jetzt … Wenn es darum geht, früher zu schließen, sind sie offenbar gerne dabei hier 😂. Nun, dann muss halt der seitliche Blick von draußen herhalten.

Das Warten aufs perfekte Licht gestaltet sich dank zweier anregender Gespräche kurzweilig. Erst treffe ich Brian, einen in den USA lebenden Iren, dem ich vorgestern schon im Espace van Gogh begegnet bin. Er wird abgelöst von einem netten älteren Paar aus Hameln.

Ich hoffe auf einen spektakulären Sonnenuntergang, der den Turm förmlich in Brand steckt. Starke Wolkenformationen haben sich in Position gebracht. Doch im entscheidenden Moment schiebt sich eine dicke Wolke genau vor die Sonne. So wird das nichts mit einem rotem Turm! Dennoch bin ich zufrieden mit dem, was die Szenerie hergibt.

Glanzparade

Nun ist aber Feierabend! Und die Wade hielt 👍.

8 Gedanken zu “Arles – Was für ein Theater!

    1. Wenn das schon so lange bei dir her ist, dass sogar schon die Farbe aus den Fotos verschwindet, solltest du tatsächlich wieder einmal hinfahren 😁. Und ja, die Wade wurde wieder rechtzeitig so weit fit, dass ich doch noch nach Avignon fahren konnte. Bericht folgt in Kürze!

      Gefällt 1 Person

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