3. Oktober 2021
Am frühen Morgen werde ich unsanft geweckt. Das zwecks Zufuhr von Frischluft halb geöffnete Fenster knallt mit Wucht zu. Hui, was geht da draußen ein ordentlicher Wind! Abgekühlt hat es allerdings kaum. Von gestern tagsüber 23 Grad auf 21 Grad. Er ist da, hat sich eingenistet wie ein ungebetener Gast: der berühmt-berüchtigte Mistral.
Ich frühstücke zuhause und gönne mir dann einen Kaffee draußen beim Le Calendal. Die Fönwärme drückt. Doch der dramatische, graue, mit vielen Wolken gespickte Himmel besänftigt mich. Beschwingt laufe ich weiter zum Luma. Von außen konntet ihr diesen Heiligen Gral der Modernen Kunst im gestrigen Beitrag schon bewundern. Heute versuche ich euch ein paar seiner inneren Werte zu vermitteln.
Für zehn Uhr habe ich ein Zeitfenster-Ticket für den Turm erstanden. Kostenlos! Wie alle Ausstellungen hier, inklusive denjenigen in den Hallen draußen. So soll es wohl auch bis mindestens zum Jahresende bleiben.
Voller Vorfreude eile ich hin und verdränge dabei den eigentlich unausweichlichen Gedanken, dass ich eines der Highlights, nämlich die Dachterrasse im 9. Stock heute buchstäblich in den Wind schießen kann. Und so trifft es mich dann schon halbwegs unvorbereitet, dass die geniale Freiluft-Aussicht bei einer Windgeschwindigkeit von 45 km/h heute ausfällt. Man kann zwar auch im 8. Stock schöne Aussichten auf das Panorama der Stadt genießen. Aber durch die – ziemlich schmutzigen – Scheiben lässt es sich eben nicht sonderlich gut fotografieren. Egal. Denn alles andere ist toll! Fangen wir bei der Architektur an:





Aber auch die Exponate können sich sehen lassen. Angefangen beim sich drehenden Spiegel von Ólafur Elíasson, …

… über Christian Marclays 24-Stunden-Film ‚The clock‘ (lest unbedingt mal die Story dazu!) …

… bis hin zur Kollektion von Maja Hoffmann im Untergeschoss. Dort finden sich unter anderem brennende Skulpturen aus Kerzenwachs, deren größte davon genau ein Jahr nach Eröffnung dieser Ausstellung komplett heruntergebrannt sein soll.



Weitere moderne Werke und diverse hochkarätige Fotoausstellungen, darunter Werke von Diane Arbus und Annie Leibovitz, ergänzen die Vielfalt dessen, was hier geboten wird.


Sehr zufrieden verlasse ich das LUMA und laufe zurück in die Innenstadt. Hier beginne ich, auf den Spuren Vincent van Goghs zu wandeln. Meine erste Station ist der Espace van Gogh. Hier im ehemaligen Hospital Hôtel Dieu und heutigen Kulturzentrum wurde der begnadete Künstler gepflegt, nachdem er sich im Wahn einen Teil seines Ohres abgeschnitten hatte. Eines seiner berühmten Gemälde, nämlich ‚Garten des Hospitals in Arles‘ entstand genau hier.


Nach dem Mittagessen unternehme ich einen Verdauungsspaziergang zur rund drei Kilometer außerhalb des Zentrums gelegenen Brücke von Langlois, auch als Van-Gogh-Brücke bekannt. Die über einen Schifffahrtskanal gebaute Klappbrücke mit zwei Brückenteilen faszinierte den Maler, weil sie ihn an die zahlreichen Kanäle in seiner niederländischen Heimat erinnerte. Van Gogh malte dieses Motiv mehr als zehn Mal! Die heutige Brücke ist jedoch nicht identisch mit derjenigen auf seinen Gemälden, sondern ein Nachbau der Brücke von Fos.


Für heute bin ich durch mit Vincent. Die Fortsetzung folgt an einem der kommenden Tage. Ihr wollt nicht warten, sondern wollt sofort wissen, was der Künstler sonst noch so in Arles getrieben hat? Dann schaut mal hier.
Zurück in die Stadt. Ich bin etwas geplättet von dem schwül-drückenden Mistral-Kopfschmerz-Wetter, obwohl es mit 24 Grad ja nicht zu warm ist. Das schreit nach einer Kaffeepause!

Den nächsten und zugleich letzten Stopp lege ich im Musée Réattu ein. Denn ich hatte gestern mit Verzückung festgestellt, dass dort die moderne Antwort auf Walker Evans, nämlich Graziano Arici – übrigens seit 2012 Bürger dieser Stadt – eine große Ausstellung hat. Noch bis 3.10.21. 3.10.? Das ist genau heute! Dann muss ich da eben auch noch hin 😁.
Und da heute zufällig der erste Sonntag im Monat ist, komme ich auch noch in den Genuss des freien Eintritts. Soooo viel hochkarätige Kunst heute für null Euro! Und wenn ich schon mal hier bin, werfe ich natürlich auch noch einen Blick in die anderen Ausstellungen in diesen illustren Räumlichkeiten.


Es ist angenehm wenig los im Museum und überhaupt in der ganzen Innenstadt. Zum einen sind einige Läden, Gastronomiebetriebe und Sehenswürdigkeiten geschlossen. Zum anderen hat der Mistral mit all seinen Unannehmlichkeiten das Leben buchstäblich aus der Stadt gefegt. Auf dem Rückweg bemerke ich noch das eine oder andere interessante Kleinod auf der Strecke …


…, bevor ich gegen 17 Uhr zuhause ankomme. Ich habe es noch trockenen Fußes geschafft, denn das angedrohte Gewitter mit Starkregen verspätet sich. Doch am frühen Abend geht es los. Und wie! Und so ist dieser Abend wie geschaffen dafür, gemütlich auf dem Sofa zu liegen und nach einem so kunstvollen Tag ein spannendes Buch zu lesen.
Wieder mal extrem tolle Fotos!
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Danke!
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interessante Motive und Perspektiven z. b. „Schneckenhaus“ !!
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Danke, Manni!
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