Abflug am frühen Nachmittag, zum Glück noch vor dem großen Unwetter in Berlin. Im Flieger wird es später dann richtig unterhaltsam. Doch davon ahne ich noch nichts, als ich mich auf meinem Fensterplatz in der ersten Reihe niederlasse.

Kurz vor dem Start bittet uns eine der Flugbegleiterinnen um einen kleinen Gefallen. Co-Pilot Thomas habe heute Geburtstag. Und wenn er heute schon arbeiten müsse, dann wäre es schön, wenn wir ihm den Einsatz mit einem gebührenden Ständchen versüßen würden. Gesagt, getan. Der gute Thomas wird aus dem Cockpit zitiert, aus 150 Kehlen schmettert Happy birthday, der Co-Pilot ist gerührt und freut sich sehr. Dann fliegen wir los.

Als wir unsere Flughöhe erreicht haben, meldet sich das Geburtstagskind aus dem Cockpit. Er habe jetzt zwar keine Geburtstagstorte parat, aber er habe sich was ausgedacht. Er stelle nun vier Schätzfragen. Wer mag, könne die Antworten auf einen Zettel schreiben und abgeben. Wessen Antworten am nächsten an die richtigen Zahlen herankämen, dürfe ihn und seinen Kollegen nach der Landung im Cockpit besuchen.

Na, jetzt bin ich aber gespannt! Und dann kommen die Fragen: Bruttogewicht des Fliegers (Airbus A 320), Außentemperatur in der jetzigen Flughöhe (30.000 Fuß), welche Benzinmenge beim Start, und last but not least: wie alt wurde der Thomas heute? Hm, hüstel, bei Multiple-Choice hätte ich ja auf mein Glück und die letzten, kläglichen Reste an gesundem Menschenverstand setzen können. Aber frei schätzen? Keine Chance! Ich interessiere mich ja für vieles. Doch technische Daten gehören nicht zu meinem Repertoire.

Schade, wäre doch witzig gewesen! So aber danke ich ab und wende mich meinem Krimi zu.

Mein Sitznachbar am Gang hingegen hangelt eine unbenutzte Serviette aus seiner Brötchentüte und kritzelt munter darauf herum. Ich beachte ihn nicht weiter, bis er sich zu mir herüber beugt. „Wollen Sie ins Cockpit?“, fragt er freundlich? „Ja, klar! Nur habe ich leider keinen blassen Schimmer, wie ich diese Fragen beantworten soll.“, antworte ich. Daraufhin hält er mir die Serviette mit seinen (schockierend präzisen) Antworten hin, meint, ich solle meine Sitzplatznummer draufschreiben und das dann abgeben. Mein schwaches Gegenargument, das sei doch dann irgendwie gepfuscht, wischt er mit einer lässigen Handbewegung beiseite. Hauptsache, so setzt er grinsend nach, er selbst tauche nicht im Cockpit auf – so als Pilotenkollege von EasyJet auf Privatflug 🤣.

Wie könnte ich da Nein sagen? Wir beratschlagen noch kurz, wie alt der Co-Pilot denn wohl nun sei, denn das weiß mein edler Spender tatsächlich nicht. Ich schlage vor, die Antwort auf alle Fragen, nämlich 42 hinzuschreiben. Doch der Insider vermutet, dass der Kollege ein wenig älter sei. Wir einigen uns auf Ende 40, und so sieht das fertige Endergebnis wie folgt aus: 68.800 Tonnen, -53 Grad, 10.600 Liter und 48 Jahre. Ab damit in die Sammeltüte!

Und dreimal dürft ihr raten, wer am nächsten an den richtigen Antworten dran ist und nach der Landung ins Cockpit darf: natürlich die Dame auf 1A! Nur schade, dass ich mich beim Schätzen des Alters nicht durchgesetzt habe, denn ich lag mit 42 tatsächlich richtig.

Co-Pilot Thomas empfängt mich grinsend in der Tür zum Cockpit. Und der Pilot dreht sich gleich amüsiert zu mir um und will wissen, wo mein Spickzettel sei. Er habe doch irgendwie aus den Augenwinkeln den Kollegen Mathias irgendwo an Bord gesehen … „Nun, mein Spickzettel hat tatsächlich zwei Beine.“, antworte ich. Kaum ausgesprochen, taucht dieser auch schon hinter mir auf und bekennt sich zu seiner Schandtat.

Und bevor es sich der Co-Pilot wieder in seinem Sessel gemütlich macht, frage ich doch lieber schnell, ob ich mich stattdessen dort mal niederlassen darf. Was soll schon passieren, wenn ich hier und da herumspiele, denn wir sind ja am Boden 😁. Klar, ich darf! Und bekomme in den nächsten zehn Minuten eine richtig gute und informative „Führung“ im erstaunlich geräumigen Cockpit. Ganz herzlichen Dank an die beiden netten Herren, die mir diesen Flug so versüßt haben!

Als ich als Letzte den Flieger verlasse und selig zur Gepäckausgabe laufe, fällt mir ein, dass ich vergessen habe, eine wichtige Frage zu stellen: Wie hält man als Pilot die Aufmerksamkeit während eines mehrstündigen Fluges hoch, wenn im Regelfall nur Start und Landung händisches Eingreifen erfordern? Das mag brisant sein, hätte mich aber wirklich sehr interessiert. Spontan ziehe ich gedanklich den Vergleich zu Manuel Neuer, der im Tor vor dem gleichen Problem steht, wenn es im DFB-Pokal gegen einen Regionalligisten geht. Natürlich nur, wenn es nicht gerade der 1. FC Saarbrücken ist!

Zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich ziehe mein Köfferchen vom Gepäckband und nehme ein Uber zu meiner Unterkunft im oberen Teil der Altstadt von Porto. Es ist später Nachmittag an diesem Montag, und ich wundere mich auf dem Weg durch die Stadt über die vielen Leute, die unterwegs sind.

Ich wohne in einer kleinen, charmanten, toll gelegenen Pension mit insgesamt 12 Zimmern, von denen 7 im Haupthaus und 5 in dem lauschigen Garten liegen. Die Damen, die die Unterkunft betreuen, sind richtig nett, es geht sehr persönlich zu. Ich nehme es vorweg und empfehle die Pensão Favorita unbedingt. Wer genau wie ich nicht so auf Vintage-Stil steht, schaue über die Art der Einrichtung einfach großzügig hinweg, denn alles andere ist toll, auch das Frühstück. Solltet ihr tatsächlich dort eines Tages buchen wollen, dann tut das bitte nach Möglichkeit direkt über die Website des Hauses. Die gängigen Buchungsplattformen fressen nämlich einen guten Teil des Verdienstkuchens der Unterkünfte.

Beim Check In lässt mich die nette Dame hinter dem Tresen wissen, dass ihre Pension eigentlich sehr ruhig liege. Doch in der nächsten Nacht werde es ein wenig turbulenter zugehen. Denn heute ist der 23. Juni, und da feiert die Stadt Porto ihren Schutzheiligen, Johannes, der Täufer, auf portugiesich São João. Das ist DIE Party des Jahres! Da hilft nur Mitfeiern und später Ohrstöpsel benutzen. Na, da bin ich ja mal gespannt!

Alles, was ihr zur São João-Party wissen müsst, steht hier. Na ja, fast alles. Doch dazu gleich noch. Neugierig mache ich mich auf den Weg. Und kaum habe ich zwei Schritte auf die Straße gewagt, bekomme ich einen Hammerschlag auf den Kopf. Der Täter ist ein strahlender Inder mit einem kleinen Mädchen auf den Schultern und einem großen Plastikhammer in der Hand, mit dem er mir gerade einen übergebraten hat. Das tut aufgrund der Beschaffenheit der Tatwaffe überhaupt nicht weh, es quietscht nur. Doch ein wenig verwundert bin ich schon 😅.

In dem verlinkten Artikel zu São João steht wie gesagt fast alles. Was aber fehlt, ist eine Erklärung, warum an dem Tag alle Feiernden durch die Straßen laufen und sich gegenseitig mit einem Plastikhammer zart auf den Kopf hauen. Dass diese Hämmer die früher üblichen Lauchstangen ersetzt haben, steht da schon. Man kann sie rund um diesen Feiertag überall in der Stadt in den Läden und bei mobilen Straßenverkäufern für 1 bis 2 Euro kaufen.

Aber was das Ganze überhaupt soll, wird verschwiegen. Ich frage ein paar Leute. Alle sagen, das sei eben immer schon so gewesen. Alte Traditionen und so. Google muss her. Es gibt mehrere Erklärungen. Ich präsentiere euch die, die mir persönlich am besten gefällt: ein leichter Schlag auf den Kopf soll Glück bringen und düstere Gedanken vertreiben.

Und so laufe ich vergnügt durch die Straßen und genieße das fröhliche Treiben, den genialen Ausblick auf die Stadt im Abendlicht (siehe heutiges Titelbild) und die zarten Schläge auf den Kopf.

Gefühlt die ganze Stadt ist auf den Beinen, nach Einbruch der Dunkelheit wird es richtig voll und lebhaft. Und die Party geht tatsächlich bis in die frühen Morgenstunden. Allerdings ohne mich, denn nach dem schönen Feuerwerk falle ich dank meiner guten Ohrstöpsel dann doch recht bald in einen tiefen Schlummer. What a day. Stay tuned!

20 Gedanken zu “Porto – Das geht ja gut los!

  1. Das ist ja der Hammer! Da hast du ja doppelt Glück gehabt – einmal mit dem Cockpitbesuch und dann nochmal mit den Schlägen auf den Hinterkopf, die ja bekanntlich nie schaden.

    Ich würde ja auch öfters direkt buchen, aber manchmal ist es dann teurer als über booking. Wie kann das sein, wenn die Gebühren so hoch sind, frage ich mich dann.

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    1. Ja, in der Tat war mir da das Glück doppelt hold 😁.

      @booking und Konsorten: ich meine mal gelesen zu haben, dass booking seine Vertragspartner in den Verträgen ziemlich knebelt. Vielleicht wird denen darin bisweilen untersagt, dass sie selbst gleich oder günstiger anbieten dürfen? Nur eine Spekulation, aber eine andere Erklärung habe ich nicht parat. Ich kenne es so, dass die Hotels selbst den gleichen Preis für ein Zimmer mit Frühstück anbieten wie booking ohne Frühstück. Oft sind halt aber die Stornobedingungen bei booking besser, sprich man kann oft bis kurz vor Anreise stornieren. Das ist auch bei mir einer der Gründe, weshalb ich dann auch oft über booking buche. Aber ich vergleiche trotzdem vorher, wie das Angebot auf dem Hotelseiten selbst ist.

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      1. Klar, die Stornierung ist für unstete Geister wie uns schon wichtig 😃.

        Ich hatte in Gran Canaria mal an der Rezeption nach einer Verlängerung um eine Woche gefragt. Und die war vor Ort teurer als bei booking. Nicht mal das vorzeigen der Preise auf der App konnte den patron umstimmen, wenigstens den gleichen Preis wie online zu bieten. Komisch.

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        1. Vielleicht dürfen die das tatsächlich nicht wegen der Klauseln mit booking. Die lassen sich ihren Service eben auch auf diese Art „bezahlen“. Aber auf der anderen Seite: hätte doch niemand mitbekommen, dass ihr und der Patron nun einen neuen Anschlussvertrag abschließt. Ja, beim zweiten Nachdenken: du hast recht, das ist merkwürdig …

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  2. Klasse, Schon toll, was du immer erlebst. So eine portugiesische Fiesta haben wir auch mal auf Madeira erlebt und zwar direkt unter unserem Hotelzimmer. Wir waren zwei Nächte an dem Ort und das ging jeweils die ganze Nacht durch.

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  3. Toller Trip und extra-Bonus obendrauf. Leider gibt‘s das heute kaum noch, ich kann mich gut daran erinnern, dass die Cockpit Tür während des ganzen Fluges sperrangelweit offen stand und mindestens mal die Kids einen Blick reinwerfen durften. In Berlin, gibts einen Flugsimulator, da kannst mal so ein Ding fliegen und landen. Großes Erlebnis

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    1. An diese Art Freizügigkeit im Flieger kann ich mich auch noch gut erinnern. Echt schade, dass diverse Vorfälle dazu geführt haben, dass das heute kaum noch machbar ist. Umso mehr habe ich mein Glück bei EasyJet genossen. Das mit dem Flugsimulator ist interessant. Danke für den Hinweis! Könnte mir gefallen 😎.

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      1. Ich habe das während COVID (eigenartige Zeitrechnung) im Bikini Berlin gemacht … war toll … ich habe das Ding in Madeira gelandet …sehr anspruchsvoll weil großer Berg umme Ecke 😉

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        1. Madeira ist schon mal nicht schlecht für den Anfang. Schade, dass es den alten Flughafen in Hongkong nicht mehr gibt. Dort könntest du dein Können zwischen den engen Hochhausschluchten noch mal auf ein neues Level bringen 😁.

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  4. Das ist ja der Hammer! 🙂

    Man muss die Feste feiern, wie sie fallen und es ist eben immer schöner, mitzufeiern als sich dagegen zu stemmen (was ja meist nichts hilft…). Es war sicher eine neue, schöne Erfahrung, mit der du nicht gerechnet hattest. Ebenso wenig wie damit, unerwartet in das Cockpit zu dürfen (wie auch immer dies nun zustande kam). Manchmal sind es die schönen Momente, wo das Glück einmal lächelt und man einfach nur zugreifen muss. Ein sonniger, schöner Beitrag.

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