26. Februar 2023

Es gab triftige Gründe, weswegen ich meinen ursprünglich für heute geplanten Ausflug nach La Graciosa spontan auf gestern vorverlegt hatte: Wind und Wetter. Und meine App lag dieses Mal richtig auf dieser Insel, auf der das Wetter schneller und unvorhersehbarer wechselt als die Berliner Wähler von SPD und Grünen zur CDU. Doch von vorne.

Heute morgen gönne ich mir zu dem obligatorischen Kaffee ein Auswärtsfrühstück auf der Terrasse meines Lieblingscafés hier in Arrecife auf der Islote de Fermina mit der gewohnt famosen Aussicht und der freundlichen Bedienung. Cafecito sagen die Lanzaroteños gerne für den kleinen Kaffee zwischendurch. Eine wohlklingende Entsprechung für unser Käffchen.

Als ich mich später auf den Weg zum Busbahnhof mache, verdränge ich erfolgreich den Gedanken an die winterliche Apokalypse, die mich schon bald in Berlin erwarten wird. Besser nicht daran denken, sondern lieber jede Sekunde Sonne hier genießen bei stets moderaten und angenehmen Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad.

Gegen Mittag nehme ich den Bus Nr. 7 gen Norden. Als wir durch Teguise fahren, werde ich wieder einmal in meiner Entscheidung bestärkt, niemals an einem Sonntag hierher zu kommen. Eine Menge PKWs, die drei riesige Parkplätze füllen, und sage und schreibe 15 Reisebusse haben hier ihre kauf- und schauwütige Fracht ausgekippt. Es muss die Hölle sein – zumindest für mich wäre es das. Dabei ist Teguise selbst – ich berichtete schon – wunderschön und außerhalb des sonntäglichen Markttages eher beschaulich.

Ankunft in Arrieta. Dort werfe ich als erstes einen kritischen Blick nach links oben und werde in meinen Befürchtungen bestätigt. „Ja“, sagt meine App, „ich habe dich gewarnt! Aber du wolltest ja mal wieder nicht hören.“ Von hier aus wollte ich eigentlich die letzten Kilometer mit dem Taxi bis zum Mirador del Rio fahren. Haría liegt zwar noch ein Stückchen näher dran, aber Arrieta und die beiden dahinter liegenden Örtchen kenne ich bisher nur vom Durchfahren. Sie sollen heute als mögliche Alternative – keinesfalls aber als zweite Wahl! – herhalten, wenn das Wetter oben auf der Höhe nicht mitspielt.

Nun ist der Mirador del Rio ja durchaus bekannt dafür, dass er sich in seinen fast 500 Metern über dem Meeresspiegel gerne verschämt in ein Wolken- oder Nebelgewand hüllt und nur sporadisch den sensationellen Blick auf die Steilküste unterhalb und auf La Graciosa freigibt. Aber was sich da heute entlang der kompletten Gebirgskette im Nordwesten der Insel zusammenbraut, lässt nichts Gutes erahnen. Durchgehende, sehr tief hängende, dunkle Wolken, da oben könnte es auch schon regnen, wie es aussieht. Was soll ich auf einem Mirador, wenn die Aussicht fehlt? Eben.

Düstere Aussichten

Hier unten an der Küste indes ist schönstes Wetter. Sonne, dramatische Wölkchen, 22 Grad. Perfektes Fotowetter! Laufe ich doch erst einmal zum Strand. Es ist erst 13 Uhr, der Tag somit noch jung. Ich beobachte die Wetterlage weiter oben und bin, sollte es sich bessern, ja fix mit dem Taxi die rund 12 Kilometer da hochgefahren.

Badenixe

Als ich am Ende des Strandes ankomme, winken mir zwei Leute zu. Kenne ich die? Die kenne ich! Es sind die beiden Schweizer, die mit mir vorgestern in Haría auf den Bus gewartet haben. Sie gönnen sich heute einen Strandnachmittag, nachdem sie morgens schon eine stramme Wandertour absolviert haben. Wir plaudern wieder ein Weilchen, und dann ziehe ich weiter und schaue mir den schönen Ort an.

IKEA
Eingebuchtet
Überladen
Türkis
Das Blaue Haus

Und nun treffe ich eine Entscheidung. Dass ich eines nicht allzu fernen Tages wieder nach Lanzarote zurückkehren werde, steht eh schon fest. Doch nun kristallisiert sich für mich auch heraus, dass Arrieta einer meiner festen Standorte sein wird. Das Örtchen ist klein und ruhig, es ist nicht viel los. Es hat aber von der Infrastruktur her alles, was ich brauche: einen schönen Strand, einen Supermarkt, eine Handvoll Restaurants, und eine gute Busanbindung. Die drei Linien, mit denen ich von Arrecife aus die Ziele hier im Norden der Insel erreiche, fahren alle auch durch Arrieta.

Ich muss gestehen, dass ich im Vorfeld unterschätzt habe, wieviel es hier im Norden zu sehen und zu tun gibt. Für diese Ziele bietet sich Arrieta als Standort besser an als Arrecife. Zudem haben mir die beiden Wanderer aus der Schweiz erzählt, dass man von hier aus auch ganz gut zu Wanderwegen kommt, auch direkt vom Ort aus, ohne irgendwohin fahren zu müssen. Nun denn!

Am Fischereihafen lasse ich mich im Außenbereich des Restaurants nieder, das mir die beiden Schweizer empfohlen haben. Zeit für ein Mittagessen. Der Koch hält, was die beiden versprochen haben. Und mit Aussicht aufs Meer und der Sonne im Gesicht schmeckt es gleich noch mal so gut.

Mahlzeit mit Aussicht

Danach wandert mein Blick wieder gen Nordwesten. Alles unverändert. Bei etwas Nebel oder der einen oder anderen dunklen Wolke würde ich nicht lange zicken und hochfahren. Aber es ist wirklich eine geschlossene Wolkendecke, die nicht nur partout nicht weichen will, sondern die immer dunkler wird und tiefer hängt. Ich hake den Mirador del Rio ab und hebe ihn mir für meine nächste Reise hierher auf 😎.

Stattdessen aktiviere ich mein Alternativprogramm. Ich laufe am Wasser entlang weiter gen Norden und erreiche bald Los Morros. Das Örtchen ist winzig und somit schnell durchschritten. Auf der Straße begegnet mir niemand, nicht mal Hund und Katz‘ sind unterwegs. Vermutlich verdösen alle die sonntägliche Nachmittagssiesta.

Ausgestorben

Wenig später komme ich nach Punta Mujeres. Das etwa 1.000 Einwohner zählende Dorf ist bekannt für seine zahlreichen Naturschwimmbecken, die sich über eine Strecke von etwa zwei Kilometern verteilen. Auch hier empfängt mich eine schläfrige und vermutlich typische Sonntagnachmittagsstimmung. Dennoch ist auf eine angenehme Weise etwas los. Auf mich einheimisch wirkende Familien und Grüppchen bevölkern den Ort. Hier lässt sich der freie Sonntag angenehm verbringen.

Diejenigen, die nicht gerade schwimmen und plantschen, essen Mitgebrachtes aus Tupperdosen, hocken zusammen auf Bänken oder lehnen an Mäuerchen und unterhalten sich angeregt. Gemächlich geht es zu, und doch ist hier Leben drin. Richtig schön! Und auch der Küstenstreifen um das Örtchen herum kann sich sehen lassen. Ich passiere liebevoll angelegte Gärten und halte immer wieder kurz an, um mich umzuschauen. Die Wolkendecke gibt derweil alles und wechselt ihr Bühnenbild im Minutentakt.

Dicht bewachsen
Baden gehen
Vertopft
Flora und Fauna
Gartenkunst
Kopfüber
Zahn der Zeit
Gerädert
Sakral

Zwischenzeitlich zieht eine Nebelschwade bis hinunter zur Küste. Sie bringt feuchte Luft, aber zum Glück keinen dichten Nebel. Als ich gegen 17 Uhr an der Bushaltestelle sitze und auf den Bus zurück nach Arrecife warte, klart es auf. Auch über den Bergen, zumindest ein wenig. Doch das nützt mir jetzt auch nichts mehr, denn der Mirador ist jetzt schon geschlossen. Next time. Ich sehe das gelassen.

Stämmig

Da kommt auch schon der Bus. Kaum sitze ich drin, fordert dieser wunderbar gechillte Tag mit wenig Action seinen Tribut: ich sinke sofort in seligen Schlummer 😁. Wie gut, dass der Busfahrer die Kurve zum Busbahnhof in Arrecife mehr als sportlich nimmt. So werde ich zwar unsanft geweckt und bin im ersten Moment etwas desorientiert. Aber das ist immer noch besser, als schlafend vom Busfahrer herausgekehrt zu werden.

Auf dem Fußweg nach Hause fällt mein Blick nicht zum ersten Mal auf ein unscheinbares, aber originelles kleines Wandgemälde. Heute bekommt es endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient. Und auch ich verziehe mich für den Rest des Tages in meine Behausung, die deutlich geräumiger und komfortabler ist als die der agilen Sechsbeiner. Bis morgen!

Ameisenstraße

6 Gedanken zu “Lanzarote – Drei Örtchen und kein Mirador

  1. Das Wetter ist auf den Kanaren schon was besonderes. Ich habe den Wechsel besonders auf Teneriffa gesehen. Dunkle schwarze Wolken im Hinterland und Sonnenschein pur an der Küste.
    Bei uns würde man sofort die Sachen packen und einen Unterschlupf suchen. Hier ist das normal und ich habe auch kein Gewitter erlebt.

    Gefällt 1 Person

  2. Der Mirador macht bei einer Wolkendecke keinen Sinn. Wir hatten damals richtig Glück; als wir gerade so fertig mit schauen und fotografieren waren, zog sich alles zu und sah aus wie eine Puderdecke. Irgendwann kommst du nochmal auf die Insel, allein schon, um La Graciosa zu sehen 🙂

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse eine Antwort zu Kasia Antwort abbrechen