31. August – 1. September 2025
Am Sonntagmorgen ordern wir wieder ein Uber. Der Zufall beschert uns mit Les nicht nur einen guten Fahrer, sondern auch einen interessanten Gesprächspartner.
Der 70-Jährige produziert aus tiefster Überzeugung eine wöchentliche Internet-Radiosendung, in der es unter anderem um die Geschichte und Rechte der Afroamerikaner in den USA geht. Seine eigenen Lebenserfahrungen fließen natürlich auch mit ein. Und an diesem Morgen gewährt er uns einen kleinen Einblick in die Thematik.


Am etwas abseits der Innenstadt gelegenen ehemaligen Bahnhof Michigan Central verabschieden wir uns. Ihr versteht nur Bahnhof? Was wollen wir hier, wenn gar keine Züge mehr fahren? Nun, Stefan ist bei seiner Recherche nach interessanten architektonischen Fotomotiven auf dieses Gebäude aufmerksam geworden. Einer der schönsten und größten Bahnhöfe der USA hat nicht nur eine tolle Optik zu bieten, sondern auch eine sehr wechselhafte Geschichte, die nun ihr glückliches Ende gefunden hat.

Hier die Kurzfassung von Aufstieg, Verfall und Wiedergeburt der Michigan Central Station. Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut, avancierte er zum riesigen Verkehrsknotenpunkt für Millionen von Menschen, die im Zusammenhang mit der wachsenden Autoindustrie nach Detroit kamen. Zu seinen besten Zeiten fuhren hier täglich mehr als 200 Züge ab. Über 4.000 Passagiere pro Tag nutzten den Bahnhof, eine ganze Menge für anno 1920. Im dazugehörigen Büroturm arbeiteten 3.000 Leute.
Mitte des 20. Jahrhunderts nahm die Bedeutung von Autos und Flugzeugen zu. Der Abstieg des Bahnhofs nahm seinen Lauf. 1988 wurde er geschlossen und rottete ziemlich genau 30 Jahre vor sich hin. 2018 übernahm die Ford Motor Company den stark ramponierten Bau und sanierte ihn aufwendig. 2024 wurde das beeindruckende Gebäude wiedereröffnet.
Die Michigan Central Station wird heute als Innovations- und Technologiezentrum genutzt. Diverse Unternehmen, Start-ups, Universitäten und sonstige Forschungseinrichtungen, die an Zukunftstechnologien wie Elektromobilität und moderner Fertigung arbeiten, füllen den ehemaligen Bahnhof mit Leben. Die Flächen im Erdgeschoss sind für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Hier ist auch eine umfangreiche und sehr informative Ausstellung zum Umbau des Bahnhofs zu sehen.
Schade, dass innen nur mit dem Handy fotografiert werden darf. Doch das nimmt uns natürlich nicht die Freude, dieses tolle Gebäude besuchen zu dürfen. So schaut es hier heute aus:





Eine kurzen, aber sehr guten Überblick über die Geschichte, den Verfall, den Umbau und das Hier und Jetzt bietet euch das folgende Video (interessant ab Minute 1:00 bis Minute 3:15):
Nach unserem Rundgang schauen wir uns noch etwas in der recht ruhigen und wenig bebauten und genutzten Umgebung des Bahnhofs um. Wie an so vielen Stellen in Detroit ist auch hier gute Street Art zu finden. Und endlich stoßen wir auch auf ein religiöses Thema, das inklusive seiner Art, wie es hier präsentiert wird, irgendwie zu den USA passt. Das hatte ich schon richtig vermisst 😁.



Wir befinden uns hier im Stadtviertel Corktown, das mehr als nur den Bahnhof zu bieten hat. Irische Einwanderer prägten einst den Charakter des Viertels. Heute punktet Corktown mit schönen Häuschen, originellen Läden (siehe auch heutiges Titelfoto) und einer vielfältigen Kunst- und Gastroszene rund um die Michigan Ave herum. Etwas abseits der Hauptachse gibt es Parks und Grünflächen.




Wir laufen weiter auf der Michigan Ave in Richtung Stadtzentrum. Auf der Strecke erwartet uns eine kleine Überraschung: das alte Stadion der Detroit Tigers, The Corner! Heute dient es als Footballstadion für Kinder und Jugendliche. Erfreut laufen wir auf das Gelände, wo auch eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Tigers zu sehen ist, die hier bis 1999 spielten. Stefan ist hocherfreut!

Im weiteren Verlauf führt uns die Michigan Ave zurück ins Zentrum, wo wir uns über ein burgartiges Gebäude wundern, das uns bislang offenbar durch die Lappen gegangen ist.

Nach dem Mittagessen zieht es uns wieder zum Jazzfestival auf die Hart Plaza. Sommer, Sonne und gute Musik. Was wollen wir mehr?



Anschließend gönnen wir uns noch ein kühles Getränk am „Beach“ am Martius Square und kehren zufrieden zurück zur Wohnung. Nun ist Packen angesagt.
Am nächsten Morgen reiten wir vom Hof. Der Wolverine (auf deutsch: Vielfraß) wird uns heute nach Chicago bringen. Der Bahnhof liegt praktischerweise nur zwei QLine-Stopps von unserer Unterkunft entfernt. Aus der sich nähernden Straßenbahn begrüßt uns eine fröhlich winkende Fahrerin. Kaum eingestiegen, heißen uns freundliche Zeugen Jehovas willkommen – ohne jegliche Akquiseversuche 😁. Ein Start in den Tag, wie wir ihn in Berlin eher nicht erleben.
Die Amtrak-Station in Detroit erweist sich als winzig, die Wartehalle ist gut gefüllt. Dann geht es vertraut für mich und neu für Stefan weiter. Beim Boarden werden wir gleich von zwei älteren Damen in ein nettes Gespräch verwickelt, gefolgt von einem ebenso interessanten Talk mit einem jüngeren Mann, der eigens für einen Konzertbesuch nach Chicago fährt und morgen gleich wieder nach Detroit zurückkehren wird.
Conductor Derek bereitet uns im Zug einen humorigen Empfang. Wir haben keine reservierten Plätze (die gibt es nur in der Business Class), doch Amtrak verkauft grundsätzlich nur so viele Tickets, wie es Sitzplätze gibt. Von daher können wir ganz entspannt Platz nehmen. Dieser Wolverine ist ein neuer Zug, was ich grundsätzlich begrüße.
Doch die Sitze stellen sich als hart und unbequem heraus. Die Rückenlehne hat einen schnurgeraden Schnitt ohne jegliche Anpassung an die gebogene Form menschlicher Wirbelsäulen. Zurücklehnen funktioniert nur indirekt, indem man ein wenig die Sitzfläche nach vorne schiebt. Ach, Siemens, da habt ihr euch echt nicht mit Ruhm bekleckert! So was konzipiert nur jemand, der selbst nicht drauf sitzen muss 🤣. Egal, wir werden die 5 1/2 Stunden bis Chicago überleben. Da bin ich ganz zuversichtlich.


Die Strecke zwischen Detroit und Chicago bietet genau das, was ich schon vermutet hatte. Wälder, Wiesen, Felder, alles flach. Kurzum: Brandenburg. Schon bald verliere ich das Interesse und schaue statt aus dem Fenster auf mein iPad Mini. Stefan hat sich da schon längst einem Film auf seinem iPad gewidmet.
Kurz nach 14 Uhr erreichen wir meine ultimative Lieblingsgroßstadt in den USA. Hallo Chicago! Schön, wieder hier zu sein. Fortsetzung folgt. Kann allerdings etwas dauern. Denn manchmal kommt einfach das Leben dazwischen 😎. Stay tuned!
Schön, dass Stefan wenigstens in Miniausgabe zu seinen Tigers kam. Detroit hat doch deutlich mehr zu bieten, als ich bei meinem Kurzbesuch ahnen konnte. Bin schon gespannt, was es Neues aus Chicago zu berichten gibt.
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Ja, Detroit entpuppte sich als Wundertüte 😎. Hat uns richtig gut gefallen.
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Der Bahnhof ist ja wirklich eine Wucht! Gut ausgekundschaftet!
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Danke, Horst. Gebe ich gerne an Stefan weiter. Ja, ein wirklich tolles Gebäude, dieser ehemalige Bahnhof. Und Wahnsinn, welcher Aufwand da betrieben wurde, um ihn wieder in einen guten Zustand zu versetzen.
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