15. Mai 2024
Auch heute lasse ich es morgens entspannt angehen. Gegen 10 Uhr laufe ich los. Weit komme ich nicht, denn ein schönes Café am Rande der Altstadt lockt mich mit der obligatorischen Koffeindosis und einem leckeren Schokocroissant.

Nun kann es losgehen. Es wird den ganzen Tag trocken bleiben bei rund 20 Grad. Beste Voraussetzungen! Heute werde ich zur Abwechslung einmal wieder in Nizza bleiben. Wer mich kennt, weiß: ich werfe gerne auch einen Blick hinter die Schokoladenseiten und Vorzeigekulissen einer Stadt. Und was eignet sich da besser als eine Fahrt mit der Tram von einer Endstation zur anderen? Eben.
Die Tramlinie 1 soll es sein, da sie mich so ganz nebenbei auch an die Orte bringt, die ich mir heute anschauen möchte. Da, wo ich mich gerade befinde, liegt in etwa die Mitte der Strecke. Zuerst fahre ich in Richtung Hôpital Pasteur und wähle einen Fensterplatz, der mir gleichzeitig auch ermöglicht, das stets wechselnde Publikum zu beobachten. Ja, stadtauswärts wird es erst universitär, dann ärmlicher. Auch an der Côte d’Azur ist nicht nur Hochglanz angesagt.
An der Endstation nutze ich die Gelegenheit, die beiden harmonisch nebeneinander geparkten Trams zu fotografieren. Die eine ist gerade (mit mir an Bord) angekommen, die andere noch nicht losgefahren. Sind sie nicht schick?

Dann geht’s hinein in die nächste Bahn, die mich in die Gegenrichtung bringt. Ich durchfahre wieder die Suburbs, dann das Zentrum, bevor es unmerklich ein wenig den Hügel hinaufgeht. An der wie ein Bahnhof überdachten Station Henri Sappia endet die Strecke der Linie 1. Wieder wechsele ich die Bahn und fahre ein paar Stationen zurück Richtung Zentrum.
In der Nähe eines der durchaus zahlreichen Standorte der hiesigen Universität steige ich aus, denn ich habe auf der Hinfahrt aus den Augenwinkeln eine recht ungewöhnlich aussehende Kirche wahrgenommen. Auch das ist ein Vorteil davon, einfach mal ziellos in eine Bahn zu steigen und zu schauen, was sich am Wegesrand ergibt. Wenig später stehe ich vor der katholischen Église Sainte-Jeanne d’Arc, die von jeder Seite eine andere optische Facette von sich preisgibt.


Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum alten Südbahnhof. Er ist heute nicht mehr als solcher in Betrieb. Heute dient er als immer noch sehens- und besuchenswerter Kultur- und Gourmettreff. Architektonisch ist hier das Kunststück gelungen, alt und neu harmonisch miteinander zu verbinden.




Nun lasse ich mich die Haupteinkaufsstraße der Stadt, die Avenue Jean Médecin hinunter treiben. Dabei passiere ich die direkt dem Hauptbahnhof Nice-Ville angegliederte mineralförmige Shopping Mall, …

… stoppe kurz an der Basilique Notre-Dame de l’Assomption und bewundere die prachtvollen Bauten, während der Himmel urplötzlich aufreisst und ein wenig mehr Blau auftupft.


Die famose Shoppingmeile, die mich zwischendurch doch tatsächlich zum Kauf einer Bluse verführt, endet an der Place Masséna. Dieses Schmuckstück habe ich euch bereits in einem der vorherigen Beiträge vorgestellt. Doch immer wieder entdecke ich neue Perspektiven.


Zeit für eine kleine Pause. Ich mache es mir im um die Ecke gelegenen Park Promenade du Paillon auf einer Bank gemütlich und beobachte die Leute, die dort sitzen, spielen, plaudern und flanieren. Schon bald zieht eine Mutter mit fünf Kindern meine Aufmerksamkeit auf sich. Vergebens bemüht sie sich, ein Familienfoto hinzukriegen bzw. wenigstens jeweils wechselnde Zusammensetzungen abzulichten. Die älteste Tochter wird dann eingespannt, die Mutter auch einmal mit aufs Foto zu bannen. Flöhe hüten nicht ganz leicht gemacht.
Nachdem ich die Szene ein Weilchen beobachtet habe, gehe ich auf sie zu und biete ihr an, ein Foto von allen zusammen zu machen. Mit ihrem Handy, versteht sich – so zumindest mein Gedankengang. Sie reagiert hoch erfreut, jedoch auch skeptisch. Denn sie fragt mich tatsächlich, was das kosten würde 🤣. Mensch, Mädel, ich will nur nett sein und keine Kohle machen! Nachdem das Missverständnis aufgeklärt ist, steht denn einem Familienportrait auch nichts mehr im Wege.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich mich so langsam Richtung Altstadt aufmachen sollte. Dort bin ich im Café Hobo mit meiner Vermieterin verabredet, die ich bisher noch nicht kennengelernt hatte. Wir verbringen einen vergnüglichen Nachmittag miteinander, bevor ich mich zu einem kurzen Boxenstopp in der Wohnung und anschließend ins Stadion aufmache. Ins Stadion? Na klar! Oder denkt ihr etwa, ich lasse es mir durch die Lappen gehen, wenn der hiesige Club OSG Nizza den Tabellenersten Paris Saint Germain zu Gast hat? Natürlich nicht!
Die Sonderstrecke der Tramlinie 3 fährt mich bequem und ohne Umstieg in rund 50 Minuten zum Stadion. Dort geht alles ganz entspannt zu, trotz oder auch wegen der 34.000 Besucher, die sich dort tummeln. Der Ultra-Schar mit ihren einschlägigen Gesängen und unvermeidlichen Pyro-Show nähere ich mich dennoch mit einer gewissen Vorsicht. Da sie unten auf der Straße performen, laufe ich lieber hoch auf den Vorplatz und schaue mir das Ganze von oben an.
In die erste Reihe der Balkonaussicht schaffe ich es natürlich nicht. Doch aus der zweiten Reihe kann ich mein Handy hoch genug halten, um bequem ein wenig mitzufilmen. Nur so nebenbei nehme ich dabei ein anerkennendes „Impeccable“ (zu gut deutsch: einwandfrei) aus dem Munde eines Typen hinter mir wahr, ohne mich angesprochen zu fühlen.
Als ich jedoch nach etwa einer halben Minute genug habe, den Mitschnitt stoppe und das Handy wegpacken will, bricht hinter mir ein Proteststurm aus. Und jetzt kapiere ich es: die Meute hinter mir hat nur über meinen Videodreh was sehen können, denn, es ist kein Geheimnis, die Südfranzosen sind tendenziell eher von kleiner Statur. Und da kam ich ihnen mit meinen 175 Zentimetern und dem in die Höhe gereckten Handy gerade recht 😂. Na gut, dann wird aus sozialen Gründen eben weiter gefilmt – und später wieder gelöscht. Hier für euch aber dann doch noch der erste Dreh, den ich behalten habe:
Es ist das letzte Spiel der Saison. Zu diesem Anlass tobt rund ums Stadion brasilianisches Leben. Ging gut los, geht gut weiter!


Zur Stärkung gönne ich mir jetzt eine Portion Socca, eine Art Fladen aus Kichererbsenmehl und Olivenöl, der zerrupft serviert wird. Und dann geht’s hinein ins Stadion. Brot und Spiele! So soll es sein.
Ich habe mich, wenn ich schon mal live vor Ort sein kann, nicht lumpen lassen und mir einen richtig guten Platz gegönnt. Die Ausgabe hat sich gelohnt, auch wenn PSG nur mit der „B-Mannschaft“ ohne Mbappé und Donnarumma aufläuft. Aber trotzdem erwartet mich ein tolles Erlebnis und ein unterhaltsames Fußballspiel, das 2:1 für die Gäste aus Paris endet. Doch für beide geht’s um nichts mehr: Paris ist eh schon Meister, und Nizza ist als Tabellenfünfter sicher in der Euro League. Hier ein paar Impressionen aus dem Allianz Riviera Stadion:



Aber was wäre das Ganze ohne O-Ton? Hier, nehmt das! Und nun bin ich gespannt, was ihr zur Hymne sagt, die auf dem zweiten Video zu hören ist.
Hört sich nicht so französisch an, was? Nun, ist es auch nicht. Was ihr da hört, ist astreines Nissart, die Regionalsprache Nizzas. Wer mehr darüber wissen möchte, schaue gerne hier.
Nach dem Spiel trete ich glücklich den gut organisierten Rückweg an. Den Transport der Massen managt man hier lässig und routiniert. Gegen Mitternacht bin ich zuhause. Dort angekommen, kann ich lange nicht einschlafen. Zu aufgedreht bin ich von der Stimmung und dem Trubel. Schön war’s! Was für ein Tag!
Bitte keine Newsletter mehr. Danke
Von meinem iPhone gesendet
LikeLike
Es ist wie bei allen Newsletters, die man abonniert: Wenn du keinen Newsletter mehr möchtest, kannst du selbst das Abo beenden. Siehe Email ganz unten, mit der der Newsletter kommt.
LikeGefällt 1 Person
Elke als Live-übertragerin; dein neuer Zweitjob?
Ist mir auch schon aufgefallen, dass man mit mittelmäßiger Größe in manchen Ländern über die Menge hinweg schauen kann.
LikeGefällt 1 Person
Diese Art von Zweitjob käme mir sehr gelegen! Lukrative Angebote nehme ich gerne entgegen 😎. Ja, in einigen Ländern geht man mit einer Länge von mehr als 170 cm schon fast als Riese durch 🤣.
LikeGefällt 1 Person
Sehr schön! Deine Idee, in den Städten mit der Tram von einer zur anderen Endhaltestelle zur anderen zu fahren, werde ich mir merken. Eine gute Chance, den Charakter eines Ortes neben den touristischen Highlights zu erleben und auf dem Weg Zusätzliches zu entdecken. Die Kirche Jeanne d‘Arc fand ich besonders interessant, wegen der ungewöhnlichen Bauweise und meiner kürzlichen Reise nach Rouen. Warst du auch im Kircheninneren ?
Fußball ist nicht so meins, um so besser aber, dass ich die Stimmung im Stadium mit deinem Bericht virtuell erleben kann. Ein tolles Erlebnis!
LikeGefällt 1 Person
Ja, mach das ruhig mal mit dem ÖPNV. Ich habe das schon oft gemacht und dabei manche schöne Überraschung erlebt. In der besagten Kirche war ich nicht drin. Sie war verschlossen, als ich dort war. Bestimmt ist sie auch im Inneren interessant. Ja, der Besuch des Fußballspiels hat sich für mich echt gelohnt. Freut mich ja sehr, dass du Anteil daran genommen hast, auch wenn Fußball nicht so dein Ding ist.
LikeGefällt 1 Person
Diese Mundart von Nizza ist ein spannendes Thema, war mir so nicht bekannt. Mal schauen, vielleicht komme ich mal dazu, mir den Link durchzulesen 🙂
Scheint ein schöner Tag gewesen zu sein. Das mit dem Filmen ist natürlich lustig: wer hätte gedacht, dass unsere Durchnittskörpergröße drüben als „groß“ gesehen wird. Es war übrigens überaus nett von dir, die ganze Zeit über zu filmen und einen Krampf im Arm zu riskieren 🙂
LikeGefällt 1 Person
Tatsächlich habe ich diese Regionalsprache auf den Straßen in Nizza nie bewusst wahrgenommen – bis ich die Hymne im Stadion vernommen habe. Keine Ahnung, ob das Zufall war oder ob das Nissart heutzutage im Alltag einfach nicht mehr so verbreitet ist.
Ja, der Tag war richtig klasse, und der „Zwischenfall“ mit der ungeplanten Filmkarriere äußerst amüsant – und sportlich herausfordernd 😁.
LikeGefällt 1 Person
Das erinnert mich an meine Reise nach Irland. Irländisch hört man nur noch selten und wenn, dann eher außerhalb Dublins. In den Vororten merkt man plötzlich, dass die Menschen etwas anderes sprechen und dass das, was sie sprechen, so gar nichts mit der englischen Sprache gemein hat.
LikeGefällt 1 Person
Ja, da tun sich den Reisenden aus dem Ausland Abgründe auf 😅!
LikeGefällt 1 Person
Wie immer, ein toller Beitrag!
Liebe Grüße, Horst
LikeGefällt 1 Person
Danke, Horst! Das freut mich.
LikeLike