Heute starte ich im Trockenen. Doch schon auf der Zugfahrt beginnt es, wie angekündigt, zu regnen. Nach 30 Minuten steige ich in Antibes aus.

Dort hat es sich stabil eingeregnet. Es kübelt nicht wie aus Eimern. Vielmehr kommt das Nass wie ein typischer Landregen daher, bindfadenfein, aber mit Puste für ein paar Stündchen. Ihr kennt mein Rezept für solche Fälle: erst mal bei einem Käffchen aussitzen. Doch so leicht wie gestern komme ich heute nicht davon. Keine Zauberhand erscheint und dreht den Hahn zu.

Es wird bis in den frühen Nachmittag hinein regnen, doch das macht mir nichts aus. Ich nutze das Wetter, um an der trotzdem wunderschönen Uferpromenade Richtung Südwesten, sprich gen Juan-les-Pins und dem Cap d’Antibes, entlang zu schlendern. Bei leichtem Regen finde ich das schöner, als in einem Städtchen herumzulaufen. Wasser zu Wasser! Meine Kamera genießt derweil eine ruhige, weil beschäftigungslose Zeit im Rucksack.

Huch, schon Mitttagszeit! Da kommt mir das libanesische Restaurant nahe der Promenade gerade recht. Ich bestelle zwei kalte Mezze und frage, da nichts dergleichen in der Karte vermerkt ist, ob da Brot mitgeliefert wird. Die resolute Kellnerin schaut mich irritiert an und bejaht. Das sei doch selbstverständlich, setzt sie nach.

Sie hat sich schon halb abgewandt, da kehrt sie zurück an meinen Tisch. „Da ich das so oft gefragt werde, will ich es jetzt doch mal wissen“, sagt sie. „Weshalb fragen so viele ausländische Touristen extra nach, ob Brot zu den Vorspeisen gereicht wird?“ „Na, weil es nicht explizit in der Karte steht“, antworte ich und ergänze, dass das in Deutschland und auch in anderen Ländern so üblich sei. Da steht eben alles dabei, was dazu gehört. „Ach so! Also hier in Frankreich ist es eine gesetzliche Verpflichtung, dass in Restaurants Brot zum Essen serviert wird. Von daher ist das so selbstverständlich, dass es nicht extra erwähnt werden muss.“ Wäre dieses Geheimnis also auch mal gelüftet 😃.

Als ich später das Restaurant verlasse, hat draußen jemand die Dusche abgedreht. Ah, jetzt werde ich zwar nicht mit Sonnenschein, dafür aber mit einem wunderbaren Himmel belohnt! Auch wenn der ausdauernde Regen die provençalische Farbenpracht des wunderschönen Antibes ein wenig „ausgewaschen“ hat.

Antibes, das 76.000 Einwohner zählende, charmante Küstenstädtchen, gibt sich zum Meer hin von seiner trutzigen Seite. Die gut erhaltene, imposante Stadtmauer mit einigen erhaltenen Festungselementen zeigt eindrucksvoll, wie bedeutend Antibes im 19. Jahrhundert als Grenzbastion war. Grenzbastion? Ja! Zumindest, bis das weiter östlich gelegene Nizza französisch wurde und ab dann diese Funktion übernahm.

Ich nähere mich nun, wieder auf der Promenade, dem Ortskern und genieße die Aussichten.

Und weil es gerade so schön ist, laufe ich weiter bis zum anderen Ende, wo der Hafen auf mich wartet. Zur Zeit ist dort viel Baustelle, doch das wird mich nicht aufhalten. Der acht Meter hohe, aus einer Aluminium-Buchstabenhülle bestehende Nomade des spanischen Künstlers Jaume Plensa beeindruckte mich schon aus der Ferne und weckte meine Neugier. Und so bahne ich mir meinen Weg durch die Baustellen und teils abgesperrten Bereiche, bis ich schließlich vor ihm stehe. Ist er nicht klasse?

Bevor ich mich wieder in Richtung Stadt begebe, lasse ich den Blick in die Richtung schweifen, aus der ich kam. Das Städtchen, das es sich zwischen zwei Buchten gemütlich gemacht hat, besticht durch seine wirklich bezaubernde Lage! Und es ist so ganz anders als die anderen Orte, die ich bisher an der Côte d‘ Azur gesehen habe.

Meine spontane Zuneigung zu Antibes teilte kein Geringerer als Pablo Picasso, der sich in den 1940er Jahren mit seiner damaligen Gefährtin in das trutzige, direkt an der Stadtmauer gelegene Château Grimaldi einquartierte. In den zwei Monaten, in denen er dort weilte, entstanden 23 Gemälde und 44 Zeichnungen, die er nach seinem Auszug allesamt der Stadt vermachte. Seine letzte Frau komplettierte die Sammlung 1991 mit weiteren Werken des Meisters. Und wir Normalsterblichen kommen heutzutage in den Genuss, dies alles im ehemaligen Château Grimaldi und heutigen Musée Picasso anschauen zu dürfen.

Hinein mit mir! Die lange Schlange vor dem Eingang, begünstigt durch das wechselhafte Wetter, verspricht nichts Gutes. Doch es geht überraschend flott, und drinnen verteilt sich die Menge ganz gut. Die Ausstellung ist toll, die dem Meer zugewandte große Terrasse ebenso.

Und auch ich lasse mich, umgeben und inspiriert von so viel Kunst, dazu hinreißen, selbst kreativ zu werden. Wenn auch auf ganz eigene Weise 😅.

Oh, der Nachmittag schreitet voran, das trockene Wetter wird heute nicht ewig halten. Höchste Zeit, mich noch ein wenig in den engen, gemütlichen Gässchen von Antibes umzusehen! Heute morgen eilte ich ja nur schnellen Schrittes hindurch, auf dem Weg zur Promenade. Den Markt habe ich nun leider verpasst. Nächstes Mal. Versprochen!

Ich lasse mich mehr oder weniger ziellos durch die großteils autofreien Gassen und über schöne Plätze treiben. Der alte Stadtkern von Antibes ist wunderschön, aber auch klein, sodass man kann sich kaum verlaufen kann. Es tröpfelt immer mal wieder, die Kamera wird nur spärlich eingesetzt. Doch so ganz ohne optische Eindrücke will ich euch nicht im Regen stehen lassen.

Das Glück ist auf meiner Seite. Trockene Phasen setzen sich immer wieder durch bei angenehmen 20 Grad – bis 100 Meter vorm Bahnhof, den ich am späten Nachmittag ansteuere. Dann regnet es wieder kräftig und ergiebig. Doch das ist mir egal, denn nun sitze ich im Zug zurück nach Nizza. Ein schöner Tag! Antibes, wir sehen uns wieder.

6 Gedanken zu “Côte d’Azur – Ausflug nach Antibes

  1. Der Nomade ist beeindruckend. Hat der Künstler denn in den Buchstaben eine Botschaft versteckt, so wie in den Wortsuchspielen im Kreuzworträtselheft? Wenn man lange genug sucht, findet man bestimmt eine geheime Nachricht aus der Zukunft. Oder so.

    Ich glaub, ich trink jetzt erst mal einen Kaffee. Ist noch etwas früh für klare Gedanken…

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    1. Nee, eine bestimmte Botschaft oder ein konkreter Text verbirgt sich hier nicht. Der Künstler verwendet einfach gerne Buchstaben als Grundlage seiner Werke. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass deine blühende Fantasie garantiert doch noch eine Message aus der Zukunft empfangen könnte 😁. Nimm noch einen weiteren Kaffee, dann klappt es bestimmt!

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  2. Irgendwie schaffst du es ja immer, dem Regen davon zu kommen 🙂 Ein hübsches Städchen. Viele Bilder bedarf es nicht, schließlich findet anschließend eh nur eine kleine Auswahl den Weg in den Blog.

    Brot: interessante Info. Da kann ich in September mit neuerworbenem Insiderwissen glänzen 😉 Ich kenne es auch hier in türkischen und arabischen Restaurants, dass es immer ein Körbchen Brot zum Essen gibt.

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    1. Ja, irgendwie kann ich den Regen dann meistens doch abschütteln 😁. @Fotos: das stimmt! Und dennoch fotografiere ich oft dann doch eher, äh, unkontrolliert und muss dann später zuhause mühsam aussortieren … @Brot: ja, da kannst du richtig angeben mit diesem Insiderwissen 😅. Aus den internationalen Restaurants in Berlin kenne ich das auch. Aber da steht es halt immer auch explizit auf der Speisekarte mit drauf.

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