Den Samstag gehen wir entspannt an. Erst gegen Mittag …

… ziehen wir los. Denn heute liegen all unsere Ziele in unmittelbarer Umgebung von Page. So haben wir dann auch die Muße, uns mit scheinbar nebensächlichen Details im Zimmer zu befassen. Unglaublich, was man alles explizit aussprechen und nicht als selbstverständlich voraussetzen darf 😅.

Nachdem wir im Sunset 89 das bislang beste Essen der gesamten Reise genossen haben, werfen wir einen Blick auf den Glen Canyon Dam. Dieser staut den Colorado zum Lake Powell auf. Hier wird nicht nur Elektrizität für eine Vielzahl von Haushalten und Industriegebieten entlang der US-Westküste gewonnen, sondern auch ein gewaltiger Wasserspeicher angelegt.

Zahlen, bitte! Der Staudamm wurde in den 1960er Jahren nach achtjähriger Bauzeit fertiggestellt. Er ist 216 Meter hoch und 475 Meter lang. Damit ist er die fünfthöchste Talsperre der USA. Im Carl Hayden Besucherzentrum erfahren wir später eine Menge über die Entstehung, Verwendung und Bedeutung des Damms.

Randvoll mit technischer Bildung begeben wir uns nun mit unserer Karre auf den Lake Shore Drive, eine Scenic Route, die direkt hinter dem Besucherzentrum beginnt. Der Nachmittag ist schon fortgeschritten, das Licht wird immer besser, es ist recht wenig los auf der Strecke und den diversen Haltepunkten. Vorhang auf für den Lake Powell!

Der zweitgrößte Stausee der USA – nur der Lake Mead läuft ihm den Rang ab – ist ein Eldorado für Wassersportler. Es dauerte 17 Jahre, bis der Colorado River ihn füllte. 1963 ging es los, 1980 erreichte er zum ersten Mal seinen höchsten Pegelstand. Davon ist er heute wieder weit entfernt. Doch das ist eine andere Geschichte. Ihr wollt mehr Infos zum See? Dann findet ihr hier eine kurze und knackige Zusammenfassung. Wir konzentrieren uns derweil auf seinen schönen Anblick vom höchstgelegenen Aussichtspunkt aus.

Bevor uns die Sonne das Licht ausknipst, zieht es uns an den Strand. Dort schlendern wir ein wenig hin und her und freuen uns über die goldenen Zeiten.

Auf dem Rückweg zum Hotel entscheiden wir uns spontan, dem Oktoberfest in Page einen Besuch abzustatten. Deutschlands beliebter Exportschlager empfängt uns mit richtig guter Livemusik. Fehlt nur noch ein zünftiges Bierchen für mich. Und nun wird es kompliziert.

Ok, ein Bierchen also nur mit Armbändchen, das ich nach Vorlage meines Ausweises bekomme. Als ich mir so ein wristband besorgen will, bekomme ich zu hören, dass diese nach 20 Uhr nicht mehr verkauft werden. Ich bin 10 Minuten zu spät dran. Alter! Was soll das denn für ein Oktoberfest sein 🤣?!?

Darauf, drinnen in einer Kneipe zu sitzen, haben wir beide keine Lust. Wir wollen lieber draußen irgendwo auf dem kleinen Festgelände bleiben und der tollen Livemusik lauschen. Die Temperaturen – auch nach Einbruch der Dunkelheit zeigt das Thermometer noch 29 Grad an – laden ja auch förmlich dazu ein. Muss das Bier eben warten. Denn außerhalb der abgetrennten Alkoholzone, in der jetzt für mich nichts mehr zu holen ist, darf man draußen ja nichts Alkoholisches konsumieren.

In der nächsten Tanke mit passender Lizenz schnappe ich mir später auf dem Rückweg eine Dose Bier aus dem Kühlschrank und zeige brav am Tresen meine ID, in dem Fall den Führerschein, vor. Mein scherzhaft dahingeworfenes „Ich sehe wohl nicht danach aus, als ob ich schon über 21 wäre“ stößt bei Clark hinter dem Tresen auf wenig Humorverständnis. Ohne eine Miene zu verziehen, nimmt er seine Papiertabelle aus der Schublade und trägt Namen, Ausweisnummer, Geburtsdatum, Art und Anzahl des erworbenen Getränks ein. Nun denn … An eine Schusswaffe wäre ich sicher einfacher gekommen.

Und so endet ein schöner, entspannter Tag mit einem heiteren Ende. Das war auch dringend nötig nach all der Action der letzten Wochen.

Am Sonntagmorgen gehen wir recht früh an den Start. Unser erster Weg führt uns zum Supermarkt. Denn gestern Abend waren die Gallonenkanister Wasser hier tatsächlich ausverkauft, was bei uns akute Versorgungspanik auslöste. Heute aber geht was! Early birds catch the water.

Nach etwa 45 Autominuten erreichen wir unser erstes Etappenziel. Für die kleine Wanderung zu den Toadstool Hoodoos sind wir wieder nach Utah eingereist. Die steinernen Giftpilze, so das deutsche Wort für toadstool, wachsen im südlichen Teil des Grand Staircase-Escalante NM, von dem auf dieser Reise schon an anderer Stelle die Rede war. Nun aber los, bevor es noch heißer wird!

Die kleine Wanderung vom Parkplatz bis zur Pilzzucht ist, was die Streckenlänge betrifft, sehr überschaubar. Und dennoch kommen wir kaum vom Fleck, was nur zum Teil der Hitze geschuldet ist. Die Ansichten sind einfach zu großartig. Schaut euch das mal an! Und wieder einmal fragen wir uns angesichts dieser Naturwunder, ob das vielleicht alles gar nicht real ist, und wir stattdessen von Halluzinationen heimgesucht werden. Frei nach dem Motto: Was haben DIE denn geraucht?

Nur mühsam können wir uns von den Pilzköpfen losreissen. Doch wir wollen ja noch mehr sehen. Der Scenic Drive über den Highway 89 wartet auf uns! Dieser führt uns zur Navajo Bridge, die im engen und steilwandigen Marble Canyon perfekte Bedingungen für den Bau einer Brücke über den Colorado River vorfand.

Aber erst einmal zur Vorgeschichte: In den 1920er Jahren begannen die Autofahrer, die Fähre zu nutzen, um zur jeweils anderen Flussseite zu gelangen. Doch dieses Unterfangen erwies sich weder als sicher noch als zuverlässig. Schlechtes Wetter, Überschwemmungen und schwankende Wasserstände sorgten nicht gerade für Planbarkeit.

Nun kam der Bau einer Brücke ins Spiel. Als die alte Navajo Bridge vor fast 100 Jahren eröffnet wurde, wurde sie als biggest news gehandelt. Denn sie war seinerzeit die einzige Brücke auf fast 1.000 Kilometern Flusslänge, die von nun an für den wirtschaftlichen Aufschwung in den abgelegenen und wenig entwickelten Regionen in Arizonas Norden und Utahs Süden sorgte. Darüber hinaus war sie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung die höchste Stahlbogenbrücke der Welt. Die Brücke ist 254 Meter lang und hat eine maximale Höhe von 142 m über dem Canyonboden.

Heutzutage reden wir jedoch von zwei Brücken, die den Colorado River an dieser Stelle überspannen. Zur historischen Brücke von 1929 gesellte sich 1995 ein Neubau hinzu. Warum? Nun, die alte Brücke wurde den steigenden Anforderungen des modernen Autoverkehrs im Laufe der Zeit nicht mehr gerecht. Heute ist sie nur noch für Fußgänger passierbar, während der Neuling den Autofahrern vorbehalten ist. Das Doppel und seine unmittelbare Umgebung sind echte Hingucker!

Nachdem wir uns im Informationszentrum mit Infos über die Geschichte und Bedeutung der Brücke versorgt haben, setzen wir unsere Fahrt auf dem Highway 89 entlang der Vermillion Cliffs fort. Die Strecke ist wunderschön und lohnt absolut!

Nun drehen wir um und fahren die gleiche Strecke wieder zurück nach Page. 36 Grad Außentemperatur schreien geradezu danach, den Rest des Nachmittags am und im Pool unseres Motels zu vertrödeln. Abends drehen wir noch eine kleine Runde in der unmittelbaren Umgebung, bannen endlich dieses schöne Gefährt auf die Speicherkarten, …

… und verabschieden uns im Geiste schon einmal von Page. Morgen brechen wir auf zu neuen Ufern. Stay tuned!

6 Gedanken zu “Page – Ein Stausee, Pilze und Zinnober

  1. Tja, nun, vermutlich hättest du tatsächlich zuerst eine Waffe ohne Ausweis kaufen sollen, mit der du dann bessere Argumente im Saloon bzw. Oktoberfest gehabt hättest.

    Die Pilze sind eine Wucht! Sehr surreal. Die hatten wir damals echt verpasst, weil es um Page herum von Sehenswürdigkeiten wimmelt.

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    1. Deine Argumentation bezüglich des Waffenkaufs ist bestechend! Das wäre wohl der schlauere Weg gewesen. Next time!

      Ja, die Pilze waren echt der Hammer. Aber man kann nicht alles sehen und alles machen. Denn es ist so, wie du sagst: um Page herum ist die Auswahl einfach riesig.

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  2. Wunderschön! Den Lake Powell haben wir Ende der 1980er Jahre bei höherem Wasserstand gesehen, aber das Nachmittagslicht war genauso schön wie bei euch. Die schrägen Pilze haben wir verpasst- schade! Wieviel Zeit hattet ihr euch für den Trip genommen?
    Und die Amis und ihre Regulierungsversuche des Alkoholkonsums, was eben nicht zu weniger Alkoholismus führt, ein Kapitel für sich …

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    1. Das glaube ich gerne, dass ihr den See bei deutlich höherem Pegel damals gesehen habt. Die Pilze sind richtig toll. Aber man kann dort in der Gegend eben nicht alles sehen. Zu viel Auswahl. Wir waren ungefähr eineinhalb Stunden an den Hoodoos unterwegs, ohne An- und Abfahrt. Ja, die Amerikaner und der Alkohol – da fällt mir auch nichts mehr ein …

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