12. September 2022
Das Wetter hält, was die App versprochen hat. Am Morgen nieselt es sich ein. Dann gibt es eben erst einmal einen Kaffee in dem kleinen Laden um die Ecke. Anschließend erledigen wir ein legendäres Hosen-Shopping für Stefan auf der Istiklal. Wäre dieses Projekt auch erledigt!
Kurz nach Mittag hat es sich ausgenieselt. Für den Rest des Tages wird es trocken bleiben, garniert mit einem angenehmen Mix aus Sonne und Wolken. Wir lassen uns unseren „Hausberg“ hinunter rollen und landen in der Umgebung des Istanbul Modern, dem – der Name verrät es – Museum für Kunst der Gegenwart. Dort finden sich die unterschiedlichsten Gebäudearten und -stile. Ihr ahnt es schon: das kann dauern, bis wir da wieder wegkommen.





Gleich dahinter befindet sich der Hafenabschnitt für Kreuzfahrtschiffe. Wie bestellt liegt dort auch schon ein fetter Kahn vor Anker. Hier tummeln sich viele arabische Touristen. Man kann schön flanieren an dieser schicken, breiten Promenade mit ihren zahlreichen Restaurants und Cafés.
Die Flaniermeile ist recht kurz. Und dennoch genießen wir sie in vollen Zügen. Wo sonst kann man in dieser Stadt unbehelligt vom ewig tosenden, immer unmittelbar vor dem Kollaps stehenden Autoverkehr oder von zu großen Menschenmassen einen Fuß vor den anderen setzen?
Hier fotografieren wir ein wenig …




… und nutzen auch den schönen Nebeneffekt, den uns der morgendliche Regen posthum beschert. Wir machen eine Pfützenaufnahme, misstrauisch beäugt von zwei Jungs vom Sicherheitsdienst. Zögerlich kommen sie näher, ziehen sich dann aber doch zurück. Als wir uns vom Acker machen, nehmen wir aus den Augenwinkeln wahr, wie sich einer der beiden verstohlen zur Pfütze schleicht, ratlos hinein schaut, sparsam aus der Wäsche guckt und wieder verschwindet 😂.

Nach einem späten Mittagessen an besagter Hafenpromenade geht’s weiter entlang des Bosporus. Das ist der Name der Meerenge zwischen Europa und Asien. Er verbindet das Schwarze Meer im Nordosten mit dem Marmarameer im Südwesten von Istanbul. Der Bosporus ist bis zu 3,2 Kilometer breit. Auf 32 Kilometern Länge teilt er Istanbul in zwei Hälften und auf zwei Kontinente auf.
Entlang des Bosporus? Nun, da war offensichtlich der Wunsch Vater des Gedankens. Wir bewegen uns zwar weiter parallel dazu. Doch Istanbul wäre nicht Istanbul, wenn es uns hier nicht an den Rand einer mehrspurigen und vielbefahrenen Straße zwingen würde. Ohne gesonderten Bürgersteig, versteht sich. Und so hüpfen wir von Baustelle zu Pfütze, zwängen uns hier durch Parklücken, weichen dort ausladenden Bussen aus, und fotografieren trotzdem unverdrossen weiter.



Eine Weile später erreichen wir den Dolmabahçe Palast. Das riesige Anwesen mit seiner 500 Meter langen Wasserfront wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zum Nachfolger des Topkapi-Palastes. Von nun an wohnten die Sultane hier. Heutzutage kann man ihn im Rahmen einer Führung besichtigen. Doch wir begnügen uns damit, ihn von außen und an einem der folgenden Tage auch in voller Schönheit vom Wasser aus zu bewundern. Im davor gelegenen Park kann man schön im Halbschatten sitzen und den Gesängen des benachbarten Muezzins lauschen. Hört gerne rein!





Auf dem Rückweg werden wir gegenüber des Stadions von Beşiktaş Istanbul von der Polizei und diversem Sicherheitspersonal gestoppt. Wir müssen so lange ausharren, bis die Mannschaftsbusse am Stadion angekommen sind. Überall auf den Straßen ringsum feiern Fußballfans schon vorab den erhofften Sieg ihrer jeweiligen Mannschaften. Da geht die fröhliche Post ab!

Irgendwann geht es weiter. Wir laufen zurück bis zum Fähranleger Kabataş, wo wir in die unterirdisch gelegene Standseilbahn namens Füniküler steigen, …

… die uns bis ganz nach oben zum Taksim Platz bringt. Von dort aus erledigen wir noch einen kleinen Einkauf und machen es uns dann auf unserem charmanten Balkon gemütlich, von wo aus wir den täglichen Stau nun von oben herab betrachten können 😅. Er macht auch vor den kleinsten Gassen nicht Halt. Und mittendrin unverdrossen und unbeeindruckt unser netter Nachbar von gegenüber, der seine Waren wie jeden Tag überall auf der Straße und auf zwei Motorhauben verteilt.

Nach unserem dritten vollen Tag in dieser Stadt wagen wir ein erstes Fazit, das wir – ich nehme es vorweg – auch am Ende der Reise noch genau so ziehen werden: Istanbul ist faszinierend und bietet viel. Doch es ist auch extrem anstrengend. Fast immer und fast überall finden wir es zu voll und zu laut.
Der Autoverkehr ist bis in die kleinsten Gassen gruselig, die Autofahrer rücksichtslos und ungeduldig. Fußgänger werden gnadenlos weggejagt. In Ruhe flanieren ist in dieser Stadt schwierig bis unmöglich. Dabei wäre die Stadt von den Distanzen her schon sehr gut erlaufbar.
Das kommt uns, die wir bevorzugt zu Fuß in Städten unterwegs sind, fotografieren wollen und uns dafür auch etwas Zeit nehmen möchten, nicht gerade entgegen. Überall wird man sofort von den schmalen, meist vollgestellten Gehwegen weggedrängelt oder angehupt. Beides weniger von anderen Touristen, sondern eher von den Einheimischen. Die schlechte Beschaffenheit der schmalen Gehwege, sofern sie überhaupt vorhanden sind, tut ihr Übriges. Wir müssen höllisch aufpassen, hier nicht ins Stolpern und Stürzen zu kommen.
Die Menschen hier erscheinen uns mehrheitlich sehr freundlich und zuvorkommend – solange sie nicht hinter dem Steuer eines PKW sitzen 😁. Doch wegen der Sprachbarriere sind Gespräche kaum möglich. Englisch klappt nur im ganz konkreten touristischen Kontext (Wechselstuben, Restaurants und Cafés, Hotel/Ferienwohnung, Sehenswürdigkeiten), und selbst da manchmal kaum. Viele, auch junge Leute, sprechen schlichtweg kein Wort Englisch. Das hätten wir uns in einer Millionen-Metropole wie Istanbul mit seinen vielen jungen, kosmopolitisch wirkenden Bewohnern schon etwas leichter vorgestellt. Das ist schade, aber nicht zu ändern.
Die geschilderten Umstände werden uns noch ein paar Tage begleiten. Dennoch haben wir für uns das Maximale aus dieser Stadt herausgeholt und auch viel Schönes und Heiteres entdeckt. Das ist ja auch was, oder?
Ziemlich spitze Türmchen habt ihr da abgelichtet. Und eine potentielle Terrorpfütze, man weiß ja nie. Ich wäre als Sicherheitsmann da auch misstrauisch.
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Ja, die Terrorpfützen in Verbindung mit so zwielichtigen Gestalten wie uns muss man auf jeden Fall im Auge behalten!
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Kriege sofort Sehnsucht
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Na dann nichts wie hin!
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Ach du liebe Zeit, vermutlich dachten die Jungs, in der Pfütze seien Fische drin oder so… 🙂 die Gesichter hätte ich liebend gerne gesehen.
Dass in Istanbul kaum jemand englisch spricht, ist leider eine Tatsache. Das ist für uns schade, andererseits scheint die Metropole darauf nicht angewiesen zu sein…
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@Pfütze: wer weiß? In deren Kopfkino hätte ich liebend gerne reingeschaut. Ich war ja schon drauf und dran, zu ihnen zu gehen und sie dazu aufzuklären. Doch nach meinen bis dahin so häufig gemachten Erfahrungen bin ich davon ausgegangen, dass sie mich eh nicht verstehen werden. Und das wird dann immer so mühsam 🙈.
Womit ich beim nächsten Thema wäre. Ja, mag sein, dass sie nicht darauf angewiesen sind. Die Touristen kommen ja auch so. Und die Leute, die unmittelbar mit den Besuchern aus dem Ausland zu tun haben, können ja zumindest das Allernotwendigste auf Englisch sagen. Aber sehr weltoffen wäre eine solche Haltung nicht! Ich frage mich, ob die Schüler in der Türkei überhaupt Fremdsprachen lernen. Und wenn ja, was? Arabisch, weil das die Originalsprache des Korans ist?
Du kannst dich glücklich schätzen, dass du mit deiner türkischen Freundin dort warst. Das hat dir einen ganz anderen Zugang zu Land und Leuten ermöglicht!
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Ja, ich bin froh, dass bei uns alles so war wie es war. Ich war auch ob der mangelnden Englischkenntnisse überrascht. Das erinnerte mich an Warschau der 90er Jahre.
Ich denke, es war schon recht, dass du nicht hin gegangen bist. Vielleicht hätte das alles komplizierter gemacht. Und wer weiß, vielleicht sind die Jungs an dem Abend nach Hause und haben am Küchentisch sowas erzählt wie: „Also, die Touristen, die fotografieren sogar Pfützen…“ 😉
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Genau! Womöglich haben wir tatsächlich für die heitere Abendunterhaltung am Küchentisch gesorgt.
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Interessant interessant, der Fernsehturm sieht aus wie abgestellt oder gerade gelandet. Aliens?
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Ist nicht auszuschließen!
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