06. Juli 2022

Heute Morgen lasse ich mir Zeit beim Frühstück im Lightbox Café. Man sitzt dort schön, es schmeckt gut – und nebenbei kann ich diverse Korrespondenz auf diversen Kanälen erledigen. So lässt sich das Nützliche mit dem Angenehmen harmonisch verbinden.

Danach aktiviere ich das gerade gebuchte Rundum-Sorglos-Paket in Form eines zwei Tage gültigen Tickets für den Big Bus. Dieser kutschiert seine Fahrgäste in rund zweieinhalb Stunden einmal quer durch San Francisco, vorbei an den meisten der bekannten Sehenswürdigkeiten. An insgesamt 16 Stopps kann man aussteigen, sich in Ruhe umsehen und dann einfach in einen der nächsten Busse steigen, die im 15-Minuten-Takt auf die Strecke gehen.

Ich möchte am Schluss der Reise faul sein und nicht mehr viel planen. Hinzu kommt, dass mein verstauchter Fuß dank Ibuprofen und Bandage zwar ganz gut durchhält, aber dennoch nur ein reduziertes Laufpensum schafft und entsprechend Pausen einfordert.Und so drehe ich heute mit nur einer Unterbrechung die komplette Runde auf dem Oberdeck des Busses, während via Kopfhörer Infos zur Stadt in mein Ohr tröpfeln und mein üppiges Haupthaar wild im Fahrtwind flattert. Nebenbei notiere ich fleissig, welche Stopps mir für morgen lohnenswert erscheinen.

Wenn ihr schon nicht live dabei sein könnt, sollt ihr wenigstens in groben Zügen etwas über diese tolle und vielfältige Stadt erfahren, die den Schlusspunkt meiner Reise bildet. Doch wo anfangen, wo aufhören? Kurz und knackig bringt euch dieser Text nahe, was die Stadt so attraktiv macht.

Hier in San Francisco treffe ich im übrigen zum ersten Mal auf dieser Reise auf deutsche Touristen in nennenswerter Zahl. Fast mutet es nach fünf Wochen komisch an, wieder vermehrt meine Muttersprache zu hören.

Am Washington Square, inmitten des lauschigen Viertels Little Italy, steige ich aus. Jenseits des kleinen Parks liegen nicht nur zahlreiche Cafés und Restaurants, sondern auch eine sehenswerte Kirche. Von hier aus bietet sich auch ein schöner Blick auf den oben auf dem Telegraph Hill gelegenen Coit Tower, von dem ihr vielleicht schon was gehört oder gesehen habt.

Peter und Paul
Gewagtes Experiment

Anschließend laufe ich die Stockton Street entlang, passiere dabei Chinatown und bewundere die zahlreichen schönen Gebäude unterschiedlichster Bauart. Auch die Transamerica Pyramid, lange Zeit das höchste Gebäude der Stadt, liegt auf meiner Strecke. Immer wieder ist sie ein mehr als lohnenswertes Fotoobjekt.

Herausgeputzt
Erleuchtet
Auf Augenhöhe
Angenähert

Da mein Hotel nur zwei Blocks von der Pyramide entfernt liegt, lege ich dort einen kurzen Zwischenstopp ein, bevor mein Ticket für den Big Bus wieder zum Einsatz kommt. Praktischerweise liegt einer der Stopps fast direkt vor der Haustür. Dieses Mal nutze ich den Doppeldecker mit offenem Verdeck als Shuttle Service zum Union Square, wo ich mich noch ein wenig herumtreiben will.

Shoppen und sitzen
Hoch auf dem gelben Wagen
Herzig

Anschließend nehme ich die Tramlinie F zum Pier 33, von wo aus ich am späten Nachmittag in den Knast einfahre.

Meines Wissens ist Alcatraz das einzige Gefängnis, für das man nicht nur rechtzeitig – sprich einige Wochen im Voraus – reservieren, sondern auch anstehen muss, um die Fähre dorthin zu besteigen. Jetzt, bei meinem vierten Aufenthalt in San Francisco, klappt es. Ich musste mich nur von meiner bisherigen Illusion verabschieden, spontan hinter Gitter gehen zu können.

Da ich mich dieses Mal rechtzeitig um ein Ticket gekümmert habe, hatte ich auch noch die Abendtour zur Auswahl. Das lasse ich mir nicht durch die Lappen gehen! Denn ein Ausflug auf die nach den dort nistenden Pelikanen benannte Gefängnisinsel Alcatraz bietet nicht nur beklemmende Einsichten in den Alltag dieses Hochsicherheitsknastes.

Als köstliches Sahnehäubchen gibt es dazu noch die besten Aussichten auf die Golden Gate Bridge und vor allem auf die Silhouette der Stadt, die sich im satten Abendlicht noch spektakulärer herausputzt als tagsüber. Dazu später mehr, aber hier an dieser Stelle schon mal zwei Aufnahmen in S/W, die ich von der Fähre aus gemacht habe.

Ansichten einer Stadt
Stadt und Hügel

Die knapp zwei Kilometer lange Fahrt vom Festland zur Insel macht richtig Spaß und ist viel zu schnell vorbei. Schon bald nähern wir uns Alcatraz, und auch die Golden Gate Bridge rückt langsam ins Blickfeld.

Knasttransport
Sonnenstern

Heute herrscht ein geniales Wetter für diese Tour. Damit habe ich wirklich Glück! Wie später einer der Guides auf der Insel versichert, ist so ein super Wetter mit klarer Sicht und Wölkchen im Juli absolut ungewöhnlich. Nicht umsonst nennen die Bewohner der Stadt die beiden Hauptsommermonate gerne No-Sky July und Fogust 😅.

Auf der Abendtour ist die Hölle los. Entsprechend gut gefüllt ist es im Hauptgebäude des Knastes, wo alle auf internem Freigang unterwegs sind. Doch im Laufe der Zeit verteilt sich die Masse, auch wenn alle dank des wirklich gut gemachten Audioguides mehr oder weniger der gleichen Streckenführung folgen.

Leben in der Bude
Reagan
Zu Besuch
Leben am Limit

Sehr interessant finde ich auch die charmanten damaligen Zeitgenossen, die hier einen Teil ihres Lebens verbrachten. Geradezu entlarvend ist der Umstand, dass manche der Schwerstverbrecher, darunter auch Al Capone, ausgerechnet wegen Steuerhinterziehung hier landeten. Die Verzweiflung der Strafverfolgungsbehörden muss groß, die Beweislage zu den eigentlichen Vergehen der edlen Herrschaften hingegen mehr als dürftig gewesen sein.

Aber natürlich ist es auch bei dem einen oder anderen gelungen, ihn wegen seiner echten Kapitalverbrechen hinter Gitter zu bringen. An den Gerüchten, Alcatraz sei ein reiner Männerknast gewesen, ist hingegen nichts dran. Dies ist eindeutig fotografisch belegt.

Berühmte Knastbrüder
Knastbraut für die Quote

Puh, ich brauche mal frische Luft! Diese war den Häftlingen seinerzeit nur für eine kurze Zeit am Tag vergönnt, und zwar hier:

Freigang

Abgesehen davon war Alcatraz auch hinsichtlich der übrigen Umstände alles andere als eine Wohlfühloase. Die Zellen waren winzig, es durfte kaum gesprochen werden, die Räume waren kalt und feucht. Einigen Insassen ging es hier deshalb gesundheitlich zunehmend schlechter. Wegen der Isolation und der weitgehenden Unterbindung von Gesprächen war auch die Suizidrate recht hoch.

Offiziellen Verlautbarungen zufolge ist es in den knapp 30 Jahren (1934-1963), in denen Alcatraz als Gefängnis diente, nur drei Insassen gelungen, zu fliehen. Etliche weitere haben es erfolglos versucht. Sie scheiterten an der Entfernung zum Festland, den eisigen Wassertemperaturen und den tückischen Strömungen.

Im zweiten Teil der Besichtigungsrunde werfe ich einen Blick auf die unterschiedlichen Nutzräume, die ebenfalls Bände sprechen.

Das kesselt!
Lampe und Liege
Durchleuchtet
Knastboutique

Und dann habe ich es plötzlich eilig. Nichts wie raus zu den Aussichtspunkten! Denn jetzt setzt draußen die natürliche Lightshow ein. Ich bin erstaunt und erfreut, dass sich relativ wenige Leute dorthin verirren. So kann ich mich ausgiebig und in Ruhe hier niederlassen und den Moment genießen.

Das Licht ist super, den Himmel zieren schöne Wolkenformationen, die Aussichten auf die Stadt und ihre beiden berühmten Brücken könnten besser kaum sein. Doch für wirklich gute Abendaufnahmen mit meinem kleinen GorillaPod ist es eindeutig zu windig. Aber in diesem Moment ist mir das egal, denn Spaß macht es trotzdem! Und mit den Ergebnissen bin ich auch zufrieden.

Leuchtendes Beispiel
Im Dämmerlicht
Abendromantik
Lichter der Stadt

Ich bin beim Schauen und Fotografieren so in Hochstimmung, dass mir auch der Umstand, dass eine der zahlreichen Möwen ihren Darm genau über mir entleert, nur milde lächeln kann. Zum Glück habe ich meine Kapuze auf dem Kopf. Somit bleibt wenigstens meine Frisur verschont. Hoodie, Hose und Tasche hingegen sind nach diesem Ausflug reif für einen Waschgang.

Gegen 21:30 Uhr ist es dann stockdunkel. Und ich nutze die letzte Fähre zurück ans Festland erfolgreich zur Flucht. Bis morgen!

11 Gedanken zu “San Francisco – Bus und Knast

  1. super interessanter Beitrag ist dir da mal wieder gelungen. Bei San Francisco fällt mir sofort die Krimiserie ein „Die Strassen von San Francisco“ mit Michael Douglas und Karl Malden. Tolle Serie in den 70ziger Jahren.
    Sehr ausführlich hast du den Knast beschrieben und tolle Fotos gemacht. Ein Ort den man sicherlich auch nicht wieder vergessen wird.
    Also von mir ein super großes Lob für diesen interessanten Beitrag.

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  2. Also, die Möwe war ja unverschämt 🙂 Schön, dass sie dir den schönen Anblick und den interessanten Ausflug nicht verderben konnte. Die Skyline sieht toll aus, man denkt dabei an all die alten (und neueren) Filme, die man im Laufe der Jahre gesehen hatte.
    Gefängnisse üben eine große Faszination auf Menschen aus – natürlich nur unter dem Aspekt, dort nicht blieben zu müssen 😉 Danke für die Eindrücke.

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    1. Ja, das Federvieh war echt frech. So benimmt man sich doch nicht gegenüber Gästen!

      Stimmt, San Francisco ist einem durch die zahlreichen Filme, in denen die Stadt eine Rolle spielte, sehr vertraut. Sie ist halt auch eine Hübsche!

      @Eindrücke: diese teile ich ja immer liebend gerne 😎.

      Gefällt 1 Person

  3. Gut, dass dein Ausbruch gelang! Die Besuchskammern sind ja nicht gerade gemütlich und auch eine Behandlung würde ich mir da verkneifen. Ich wusste gar nicht, dass man so lange im Voraus reservieren muss. Das werde ich mir merken, für den Fall, dass wir auch mal einfahren wollen.

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