Mitte Dezember mache ich mich auf den Weg in den Norden. Am S-Bahnhof Karow schwinge ich mich in die Regionalbahn und steige am Bahnhof Wensickendorf aus. Der Weg führt mich ein kleines Stück entlang der Hauptstraße durch den eher unspektakulären Ort. Die hübsche Feldsteinkirche aus dem 15. Jahrhundert indes kann sich sehen lassen!

Dorfschönheit

Gegenüber der Kirche biege ich in eine Seitenstraße ab. Hier setzt sich fort, was ich schon entlang der Hauptstraße erleben durfte: Ich werde fast durchgehend von endlosem Gekläffe durchs Dorf begleitet. Gefühlt gehört hier zu jedem Haus ein Hund, der offenbar auch das öffentliche Straßenland als sein Revier betrachtet, das es lautstark zu verteidigen gilt. Zwar nicht gefährlich – die Grundstücke sind alle eingezäunt -, aber unangenehm.

Und so bin ich doch recht froh, als ich die letzten Häuser des Ortes hinter mir lasse und meinen Weg an Feldern und Wiesen entlang fortsetzen kann. Dort werde ich schnell abgelenkt von ungewöhnlichen Unterkünften und sanftmütigen Vierbeinern.

Sommerdomizil?

Schon bald erreiche ich den Wald, den ich auf den nächsten Kilometern fast für mich alleine habe. Wer meine bisherigen walks mitverfolgt hat, hat sicher schon bemerkt, dass das für mich so eine Art Jackpot ist. Zum einen bin ich als Innenstadtbewohnerin froh für ein paar einsame, stille Stunden ohne Menschen um mich herum. Zum anderen habe ich im Laufe der letzten Wochen die eine oder andere Marotte entwickelt. Zum Beispiel sind meine Augen im Wald stets auf der Suche nach kuriosen Formen, die mich an bestimmte Gegenstände oder Kreaturen erinnern. Auch bleibe ich immer wieder stehen, um mir die Anordnung der Bäume und generell die Symmetrie des Waldes anzuschauen. Manchmal setze ich mich auf den Boden, lasse gedankenverloren meine Finger über den feuchten, oft vermoosten Untergrund gleiten und horche auf die Geräusche des Waldes. Irgendwo raschelt oder knackt es immer! Es ist auch schon vorgekommen, dass ich in einer spontanen Anwandlung einen Baum umarmt habe, eher der wusste, wie ihm geschieht. Und spätestens jetzt sollte der und dem Letzten unter euch klar sein, warum ich im Wald gerne ohne ungebetenes Publikum unterwegs bin 😀.

Mikado

Immer weiter geht’s durch dichten Wald, vorbei an einem Sägewerk und wenige Kilometer später am Forsthaus Wensickendorf. Die dort angeschlossene Gartenwirtschaft hat aus saisonalen und virusbedingten Gründen geschlossen. Und so liegt das Forsthaus recht verlassen da. Direkt gegenüber des Biergartens zweigt ein schmaler Waldpfad von meinem bisherigen Weg ab. Er wird mich dem schmalen Bächlein namens Briese und dem gleichnamigen Tal, durch das es fließt, bald näher bringen. Nein, mir ist kein Rechtschreibfehler unterlaufen! Mal ganz abgesehen davon, dass hier im Tal ganz sicher keine steife Brise zu erwarten ist. Das E hinter dem I ist schon richtig an der Stelle.

Zuerst ist die Briese hinter dem dichten Gehölz des Erlenbruchwaldes nur zu erahnen. Doch dann wird es richtig schön, fast märchenhaft! Gemächlich schlängelt sich der Bach durch sumpfiges Gelände. Moore und Gräser gesellen sich zu Bach und Wald. Alle zusammen schaffen eine ganz eigene Atmosphäre, so ganz anders als „normaler“ Wald. Schaut selbst!

Schlieren
Verdammt!
Backenzahn
Büschelweise
Ich war’s nicht!
Geschlängelt

Ich stoppe hier, schaue da, und komme doch voran. Bald erblicke ich die etwas ungewöhnlich aussehende Schlagbrücke, die schon einhundert Jahre auf ihrem massigen Baukörper hat.

Überbrückt

Jenseits der Brücke verändert die Briese ihren Charakter. Totholz und raumgreifende Biberdämme stauen den Bach zu kleinen, sumpfigen Seen. Entengrütze formiert sich zu schwimmenden Teppichen. Kleine Inseln aus Gestrüpp dümpeln im Wasser. Insgesamt wirkt das Tal jetzt breiter, lichter, raumgreifender.

Von oben herab
Kopfüber
Stämmig

Als ich mich der Hubertusbrücke nähere, kommt die Sonne durch. Der Himmel packt die Farbpalette aus und spendiert ein paar Tupfer Blau.

Weitblick
Glänzende Aussichten
Struppig

Ab dieser Stelle wird die Strecke etwas belebter, treffe ich hier und da andere Spaziergänger. Denn die besagte Brücke ist im wahrsten Sinne des Wortes der Wendepunkt des Rundwegs durch den kleineren und bekannteren Teil des Briesetals, dessen Startpunkt in der südlich davon gelegenen Kolonie Briese liegt.

Doch das tut meinem Genuss keinen Abbruch. Die Landschaft wird ja dadurch nicht weniger schön. Und soooo voll ist es jetzt unter der Woche auch wieder nicht 😎.

Verquer
Sofort buchen!
Geweih-Monster
Aufgestaut

Bald nähere ich mich der zur Zeit geschlossenen Waldschule in der Kolonie Briese, an der der Weg durchs Briesetal endet. Und schon hat mich die Zivilisation wieder! Die letzten zwei der insgesamt 14 Kilometer langen Strecke vom Bahnhof Wensickendorf nach Birkenwerder lege ich entlang der kaum befahrenen Landstraße zurück, die ebenfalls durch ein Waldgebiet führt. Jenseits der Autobahnbrücke, die ich überquere, geht es durch eine Einfamilienhausgegend. Dann schiebt sich schon der S-Bahnhof Birkenwerder in mein Blickfeld. Eine farbenfroh verzierte Eisenbrücke verschafft mir die sichere Überquerung der Gleise.

Brückenschlag

In der unmittelbaren Nähe des Bahnhofes nehme ich mir noch etwas Zeit, um die künstlerische Aufwertung alltäglicher Dinge zu betrachten.

Damals …
… und heute

Und dann sitze ich schon wieder in der S-Bahn in Richtung Heimat und hänge meinen Gedanken über die heutige Tour nach. Die Wanderung durch diese verwunschene, wildromantische Landschaft war wirklich wunderschön. Ihr könnt davon ausgehen, dass ich in der wärmeren Jahreszeit noch einmal hierher zurückkehre!

15 Gedanken zu “Wednesday Walks: 5 – Durchs Briesetal

  1. Elke, das war wieder klasse! Als wäre ich dabei gewesen. Ich hätte mich sicher gewundert, wenn du einen Baum umarmst, aber so entdecke ich wieder neue Seiten an Dir. Ich umarme jeden Samstag eine Kiefer am Ende meines Laufweges… ich hoffe dabei auch immer, dass mich niemand sieht. Aber noch eine Frage: was ist Entengrütze?.

    Gefällt 1 Person

    1. Freut mich, Andrea! So so, du umarmst also regelmäßig die immer gleiche Kiefer … Das geht ja fast schon in Richtung feste Beziehung 😂!

      Zur Entengrütze: das ist der grüne Pflanzenteppich auf den Fotos, ein „als feiner grüner Schleier die Oberfläche von Seen und Teichen bedeckendes Geflecht von Wasserlinsen“ (Formulierung bei Google geklaut 😎)

      Like

  2. Eine tolle Wandergegend!

    Ach das Hundegebell, das weckt sentimentale Gefühle und Erinnerungen in mir… In meiner Kindheit haben bei uns auf dem Dorf ständig Hunde gekläfft, das war völlig normal, ich hörte es gar nicht mehr. Hier in der Stadt ist das eine Seltenheit, und wenn es mal vorkommt, werde ich ganz sentimental 🙂

    Ja, und wieder hast du tolle Formen im Wald entdeckt, eine unerschöpfliche Fundgrube…

    Liebe Grüße
    Kasia

    Gefällt 1 Person

    1. Ja, die Gegend ist wirklich klasse! Und beim Entdecken von kuriosen Waldgestalten ist meine überbordende Fantasie ein nie versiegender Quell der Freude 😅.

      @Hundegebell: vielleicht war das früher in dem saarländischen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, genauso – und ich habe es nur vergessen 🤔. Nun lebe ich schon 33 Jahre in der Großstadt und bin es nicht (mehr) gewöhnt. Zwar gibt es in Berlin auch eine Menge Hunde. Aber für die ist es ja normal, dass ständig fremde Leute an ihnen vorbeilaufen. Die kläffen in der Regel höchstens andere Hunde an, aber keine Menschen.

      Gefällt 1 Person

      1. Die Hunde bin ich hier in Mannheim auch nicht gewohnt. Und wenn hier mal was bellt, dann ist es so ein kleiner Kläffer. Das klingt mehr nach „Wiff wiff wiff“. Wenn aber mal ein „richtiger Hund zu hören ist „Woff woff woff“, dann ist es, als hätte mich die Vergangenheit berührt und ich bin plötzlich an einem anderen Ort, im Haus unserer Großeltern, und sehe durch die Vorhänge in den Garten hinaus.

        Überbordende Fantasie, wem sagst du das 😉 In Island habe ich dauernd irgendwelche Kobolde in den Lavafeldern hocken sehen…

        Liebe Grüße
        Kasia

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar