22 Grad, strahlende Sonne, kaum Wind. Ideale Bedingungen für das, was ich heute Nachmittag vorhabe. Doch von vorne. Ich nehme eine der schicken Trams …

… und steige am Cimetière Saint-Pierre aus. Es mag morbide klingen, aber alte Friedhöfe ziehen mich magisch an. Ich mag die erhabene, würdevolle Stille. Und an diesem frühen Morgen habe ich zudem das Glück, ihn fast für mich alleine zu haben.

Mit seinen 63 ha ist er nicht nur einer der größten, sondern auch einer der schönsten Friedhöfe Europas. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es Saint-Pierre schon. Damals lag er sehr ländlich außerhalb der Stadt. Doch mittlerweile hat die gewachsene Stadt ihn umzingelt.

Ein breiter Boulevard führt den Hügel hinauf. Links und rechts gehen asphaltierte und auch gekieselte Wege ab. Schöne Mausoleen, gewaltige Sarkophage und beeindruckende Grabgewölbe erwarten die Besucher. Die ganze Szenerie ist umrahmt von riesigen, dunklen Bäumen. Frisches Grün oder Schnittblumen sieht man eher selten. Blumen findet man eher in Form von koloriertem Marmor. Und so ist der ganze Friedhof eine Symphonie aus Marmor, Stein und Eisen.

Die Aussicht auf ungewöhnliche Hochhaus-Architektur ist zwischendurch eine willkommene Abwechslung.

Auch kurios Anmutendes entdecke ich hier. So hat die Familie eines jung verstorbenen Faustkämpfers eine lebensgroße und thematisch passende Marmorfigur auf sein Grab stellen lassen.

Zurück ins Zentrum.

Der 83er Bus bringt mich einmal mehr nach Endoume. Dieses unspektakuläre, charmante Eckchen der Stadt, das ich euch bereits vorgestellt habe, hat es mir angetan. Ich flaniere durch die dörfliche Stille und sitze ein paar Minütchen am Wasser. Anschließend verzehre ich mein Mittagessen in der Bar de la Grande Terrasse, wo es nicht nur köstlich schmeckt, sondern auch eine sehr gastfreundliche, persönliche und heitere Atmosphäre herrscht.

Ein Blick auf die Uhr. Jetzt aber schleunigst zurück zum Hafen! Dort reihe ich mich brav in die Schlange ein, um an Bord dieses Schiffes gelassen zu werden.

Los geht’s! Zeit für einen Perspektivwechsel. Denn vom Wasser aus zeigt jede Stadt eine weitere Facette ihres Antlitzes.

Doch die eigentliche Hauptrolle der nächsten drei Stunden spielt die Natur. Zwischen dem Stadtrand von Marseille und dem Hafenstädtchen Cassis erstreckt sich das steinerne Spektakel der Calanques. Die rund 28 Kilometer lange Felsküste punktet mit bis zu 400 Meter hohen Kalkklippen, bis zu zwei Kilometer tiefen fjordartigen Buchten und einem einzigartigen Ökosystem. Seit 2012 sind die Calanques Frankreichs jüngster Nationalpark. Vor nicht allzu langer Zeit wurden auch Grotten mit altsteinzeitlichen Felszeichnungen entdeckt.

Die meisten der 24 Buchten sind unbewohnt und nur zu Fuß beziehungsweise mit dem Boot zu erreichen. Doch es gibt Ausnahmen mit kleinen Siedlungen und Gastronomie, die sich entsprechend großer Beliebtheit erfreuen. Außerhalb der Sommermonate kann man die komplette Strecke auch erwandern. Doch Vorsicht: die Tour ist anspruchsvoll!

Hier ein paar fotografische Impressionen von diesem tollen Nachmittag auf dem Boot:

Auf dem Rückweg nach Marseille recke ich mein Gesicht genüsslich der milden Nachmittagssonne entgegen und lasse mir den Rest einer eventuell noch vorhandenen Frisur vom Fahrtwind vernichten. Als die sich nähernde Stadt mich mit ihrer attraktiven Silhouette lockt, öffne ich wieder die Augen.

Als erstes schieben sich die Frioul-Inseln ins Blickfeld.

Es folgen die euch schon bekannten Hafengebiete. Aber vom Wasser aus betrachtet sehen sie doch wieder anders aus.

Und schon habe ich wieder festen Boden unter den Füßen. Ich schlendere am Alten Hafen entlang, wo ich unweigerlich an der Ombrière vorbei komme. Dieses originelle Werk hatte ich euch schon in meinem Bericht zu Tag 3 vorgestellt. Eine wunderbare Spielwiese für alle, die gerne fotografieren!

Nachdem ich mich dort ausgetobt habe, fällt mir siedend heiß ein, dass ich noch etwas Wichtiges erledigen muss: die Starbucks Challenge! Bisher war ich nur in landestypischen Lokalitäten eingekehrt. Doch ich muss unbedingt in Erfahrung bringen, was hier mit meinem Namen veranstaltet wird: Neues aus der Reihe „Elke bei Starbucks“. Nachdem der Barista schon kühn ein „H“ auf den Becher gemalt hat, fragt er doch noch mal ganz genau nach 😅. Und schon klappt der Laden – ziemlich schick hier by the way.

Etwas längerer Boxenstopp im Hotel, wo ich auf meiner schnuckeligen Terrasse in aller Ruhe mein eingekauftes Abendessen einnehme.

Später wieder raus, denn die Abendstimmung will genossen werden. Die Kamera bleibt zuhause. Dafür darf das Handy ran. Am Hafen dann die Gebäude im warmen Licht der Abendsonne, gechilltes Publikum am Ufer und in den Lokalen und schaukelnde Boote vor glutroter Kulisse.

Da ich heute lauftechnisch nicht wirklich ausgelastet bin, erweitere ich den Abendspaziergang und lande beim MuCEM. Schön, was das Dämmerlicht mit den Fassaden anstellt!

Auf dem Rückweg werde ich von ansprechenden Klängen zur Mole unterhalb des Forts gelockt. Wie sich herausstellt, findet auf der anderen Hafenseite zwischen den dort geparkten Autos eine spontane Jazz-Session statt. Die lasse ich mir natürlich nicht durch die Lappen gehen! Ich setze mich hin, lehne mich an das warme Gemäuer des Forts und genieße das unerwartete Konzert und die abendliche Atmosphäre. Danke, Marseille!

4 Gedanken zu “Tag 5: Marseille – Die Spur der Steine

  1. Klingt ziemlich gut, dein Tag! Der Friedhof ist klasse, dafür habe ich ja auch ein Faible! Die Bootsfahrt war bestimmt auch sehr relaxt. Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein. Und als Krönung noch ein toller Sonnenuntergang bei Livemusik. Was will Frau mehr?

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  2. Beeindruckende Bilder vom Boot aus. Bist du eigentlich bootstauglich? Auch das Video vom Jazz-Konzert hat mir gefallen. Die Vorliebe für alte Friedhöfe teilst du mit mir.
    (Kommentar vom Vater: Dann könnt ihr mich ja später dort besuchen)

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    1. Klar bin ich seetauglich 💪! Freut mich, dass die die Fotos und das Video gefallen haben. Und einen Besuch bei Vadder kriegen wir in sehr ferner Zukunft bestimmt auch zusammen hin 😂.

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