Die Morgenprozedur kennt ihr schon. Neu ab heute ist, dass abwechselnd Amur und Ali für die Schönheitsprozedur rund um den Kopf zuständig sind. Da bis Ende der Woche Bad Hair Week angesagt ist, gehen die Damen von Welt nicht mehr ohne Kopfbedeckung unters Volk. Und weil die Jungs das Elend, das wir uns selbst binden, nicht gut mitansehen können, binden sie uns die Masars dann doch lieber selbst um den Kopf 😎.

Ran an die Wanderstöcke und los. Wie schon gestern jagt eine schöne Düne die nächste. Ein Jammer, dass ich nicht hinter jeder Kurve stehen bleiben, staunen und fotografieren kann!

A propos: ab heute wird während der Wanderung hauptsächlich das iPhone zum Einsatz kommen. Es ist zu langwierig und umständlich, jedes Mal die Kamera aus dem Rucksack und der staubdichten Hülle zu zerren, sie in Ruhe einzustellen, den idealen Standort zu suchen, hier und da und dort was auszuprobieren und immer penibel darauf zu achten, dass die nächste Windböe keinen Sand in Richtung Kamera schleudert. Hinzu kommt, dass die anderen dann entweder zu lange warten müssen oder – noch unangenehmer – hinter mir auf einem schmalen Dünengrat ausharren müssen, weil sie nicht an mir vorbeikommen. Das iPhone hingegen ist schnell mal aus der Hosentasche gezückt.

Und ganz ehrlich: die Pausen, die wir stündlich einlegen, brauche ich zum Verschnaufen, Sitzen, Essen, Trinken und für die Buschtoilette 😅. Kurzum: die Kamera wird ab jetzt hauptsächlich abends dran sein, mit wenigen Ausnahmen. Hier ein paar Eindrücke von der heutigen Tour:

Womit ich hier in der Wüste eher nicht gerechnet habe: Vogelgezwitscher! Laut und vernehmlich dringt es aus einer Senke, wo die besorgten Vogeleltern lautstark von ihrem Nest abzulenken versuchen, um den potenziellen Feind, sprich uns, von der Brut fernzuhalten. Und überhaupt, ich erwähnte es schon beiläufig, erleben wir auf dieser Tour die Wüste auf eine ganz und gar ungewöhnliche Weise. Soviel Grün und blühende Pracht hat selbst Jérôme, der seit 25 Jahren durch die Wüsten dieser Welt wandert, noch nicht mit eigenen Augen gesehen! Und so verwundert es nicht weiter, dass er uns die Namen der Blümchen um uns herum nicht zu nennen vermag.

Nach den gestrigen Hitzestrapazen hat das Wetter heute ein Einsehen mit uns. Es ist rund vier bis fünf Grad kühler, was durchaus eine Menge ausmacht. Eine leichte Brise weht uns um die Nase, was auch die Fliegen, die uns gestern ausdauernd belästigt haben, etwas auf Abstand hält. Und wenn ich schon mal beim Thema bin: unsere Tierbilanz besteht bisher aus besagten Fliegen (keine Mücken!), Vögeln, Mäusen, Sandfischen, Geckos und Heuschrecken. Ich hoffe noch auf Kamele bzw. Dromedare. Skorpione hingegen können mir gestohlen bleiben.

Ankunft und Siesta mit Resteverwertung des gestrigen Abendessens. Der gute Ali hatte wie immer zu viel gekocht 😀. Hier gewähre ich euch bei der Gelegenheit einmal einen Blick in sein Küchenreich:

Mein Zelt baue ich heute in unschlagbarer Pole Position mit Blick aufs Wadi auf. Auch über den üppigen „Garten“, der mich umgibt, kann ich mich nicht beklagen. Mehr Gelände geht nicht.

Nach getaner Arbeit ist Zeit fürs Vergnügen: raus mit der Kamera und rein in den sandigen Wahnsinn! Schaut nur, wie schön und unterschiedlich die Dünenfelder in der Zeit zwischen Spätnachmittag und Dämmerung (mal mit der, mal gegen die Sonne, mal im Licht, mal im Schatten) anzuschauen sind:

Und dann legt die Sonne einen bühnenreifen Abgang hin und lockt das Tageslicht mit sich hinweg ❤️.

Die Vorbereitungen zum Abendessen laufen. Die Masars müssten mal wieder neu gebunden werden. Maria und ich versuchen es jeweils selbst, mit ganz gutem Ergebnis, wie wir beide nach kritischen Blick aufeinander finden. Als Ali uns sieht, zieht er kaum merklich eine Augenbraue hoch und rupft uns sanft die textile Kunst von den Köpfen. Diesen Job erledigt er dann doch lieber selbst. Beduinenehre!

Heute werden Suppe, Hummus und ein Bohneneintopf serviert. Als Nachtisch gibt es wie immer Kuchen. Oh je, was muss da morgen wieder abgewandert werden!

Als wir nach Lagerfeuer und Weihrauchprozedur Richtung Zelte schlendern, brauchen wir keine Stirnlampe. Der morgige Vollmond wirft sein Licht voraus. Noch ahne ich nicht, dass ich mein Zelt heute in gehöriger Schieflage aufgestellt habe, die sich im Laufe der Nacht noch verstärken wird und mich ständig von der Matte rutschen lässt. Ich habe buchstäblich auf Sand gebaut. Gute Nacht!

29 Gedanken zu “Tag 6: Rub Al-Khali – Auf Sand gebaut

  1. Wow, was für eine herliche Geometrie und auch Symmetrie die Natur doch im Stande ist selbst zu erschaffen. Natürlich muss auch die geübte Fotografin diese sehen, was hier vortrefflich geschehen ist. Ich kann mir vorstellen, dass es aufgrund der vielen „Motive“ und Blickwinkel schwierig ist, sich nicht selber mit seinen Fußspuren das Bild versaut zu haben.
    @viele Stöcke senkrecht im Sand-Foto: wart ihr sicher, dass in der Richtung Mekka 🕋 lag? 😁

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    1. Ja, die Natur ist schon eine begnadete Künstlerin! Und die Frau hinter der Kamera gibt alles, dem zumindest annähernd gerecht zu werden 😅. Klar habe ich das eine oder andere Mal mein künftiges Motiv verlatscht, bevor mir klar wurde, dass es eines sein könnte. Aber die Wüste wirft so verschwenderisch mit Motiven um sich, dass schnell Ersatz gefunden war. Und manchmal war es „dramaturgisch“ gar nicht so schlecht, Spuren im Sand zu sehen. Speziell oben auf den Graten kann das durchaus seinen Reiz haben. @ Mekka: Das haben wir Banausen natürlich völlig außer acht gelassen! Zum Glück war kein Muslim dabei, der uns dabei erwischt hat …

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  2. Bei dem vielen Grün könnte man ja schon fast die Vermutung haben, du wanderst durch das Brandenburg im 22ten Jahrhundert 😎
    und die Benutzung des 📲 ust eine gute Sache! Hatte mir schon Gedanken wegen des Sandes gemacht, der knirscht sicherlich ansonsten überall im Getriebe…
    Weiterhin viel Spaß und mach weiterhin tolle Fotos!

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    1. Danke! @ Brandenburg: Wer weiß? Vielleicht liegst du damit gar nicht so verkehrt 😅! @ Kamera: Die Befürchtungen hatte ich auch. Zum Glück knirschte nach der Tour nur die Sonnenblende der Kamera.

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  3. ach 1 noch: der alte grüne Herr im Rollstuhl scheint ja nicht sehr glücklich über den vielen Sand zu sein … Wieder mal nicht behindertengerecht. Aber das kennt er ja schon aus B. 🙁

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  4. Hallo Elke,
    vielen lieben Dank für das Mitnehmen auf eure tolle Reise. Macht wieder einmal viel Spaß. Und euer Rollstuhlfahrer, verdammt kenne die Figur, aber gerade nicht sein Name, ist göttlich. Super!
    Danke dir.
    Liebe Grüße, Peter

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    1. Freut mich, dass dir die Fotos gefallen. Die nächtlichen Temperaturen waren sehr unterschiedlich. Zwei Nächte waren recht frisch, sodass selbst ich, die Kälte viel besser ab kann als Wärme, mich mal in den Schlafsack verkrochen und nicht nur obendrauf gelegen und ein wenig zugedeckt habe. Ich schätze mal, diese kühleren Nächte lagen so um die acht bis zehn Grad. Die anderen Nächte schätze ich grob auf 14 bis 15 Grad. Die Tagesetappen waren unterschiedlich lang. Die längste lag bei etwa 15 Kilometern. Das ist nicht sonderlich viel, hat mir aber im sandigen Gelände mit dem Rauf und Runter der Dünen und vor allem bei den Temperaturen ausgereicht. Für dich wäre das sicher zu wenig gewesen. Aber Puretreks bietet die Tour an gesonderten Terminen auch in einer etwas anspruchsvolleren Variante mit längeren Strecken und Gehzeiten und auch in etwas höherem Tempo an.

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  5. Auf Sand gebaut – großartig!😅
    Ich mag ja die letzten Fotos, wo hinten in der Ferne die Jeeps zu sehen sind. Aber wo sind die Zelte? Baut ihr sie so weit entfernt von den Fahrzeugen auf?
    Die Länge der Tagesetappen interessiert mich auch.
    Ansonsten: wie immer fantastische Fotos. Die Motive machen es aber sicher auch leicht. Egal, welche Richtung, alles beeindruckend.

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    1. Ja, wir haben die Zelte in der Tat immer recht weit von den Autos entfernt aufgebaut. Bei den Autos haben die beiden Omanis immer ihr Nachtlager gehabt. Unsere Zelte sollten außer Sichtweite bleiben. Aber es war ja genügend Platz 🤓. Die längste Tagesetappe war etwa 15 Kilometer, die kürzeste geschätzt 10. Normalerweise kann ich da mehr „vertragen“. Hat aber gereicht bei dem teils weichen Untergrund, den Hügeln und den Temperaturen.

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  6. Wirst du dich nach deiner Rückkehr dann als Sandmaler betätigen??? Motive hättest du ja jetzt genug Wir können ja deinen alten Sandkasten aufbauen. Gibt es auch mal ein Bild von deinen Mitwanderinnen?

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    1. Die Sandmalerei würde bei mir sicher eher in die schlichte, naive Richtung gehen 😅. Deshalb überlasse ich diese Kunst doch lieber den Talenten. Ihr könnt aber trotzdem gerne meinen alten Sandkasten wieder im Hof aufbauen. Mit ein paar Förmchen kriege ich dann schon was gebacken 😎. Müsst ihr nur noch dem Manfred beibringen, dass er dann sein Auto nicht mehr zu seiner Garage fahren kann!

      Wegen Foto meiner Mitreisenden: ich habe eben angefragt, ob alle damit einverstanden wären, wenn ich ein Foto von ihnen im Blog veröffentliche. Wenn alle ja sagen, bringe ich hier eins mit rein.

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