Auch nach sechs absolvierten Zugfahrten kann Amtrak mich immer noch mit neuen Kuriositäten überraschen. Mit eineinhalb Stunden Verspätung trudelt der Zug am Vorabend in Flagstaff ein. So weit so vorhersehbar. Als der Zug kommt, fährt er jedoch nicht auf dem Gleis ein, das an dem einzigen vorhandenen Bahnsteig liegt, sondern auf dem dahinter, auf dem sonst nur die Güterzüge durchrauschen. Frage mich bitte keiner, warum … So muss die etwa 25-köpfige Truppe, die hier einsteigt, bis nach vorne zu der Stelle laufen, an der der Bahnübergang der kreuzenden Straße ist. 

Nun wird es bizarr. Es kann immer nur aus einem Wagen aus- bzw. in diesen Wagen eingestiegen werden, und zwar aus bzw. in den, der gerade auf dem Straßenübergang steht. Es könnte sonst ja jemand über die Gleise stürzen … Die jeweilige Wagennummer wird aufgerufen und die Namen derjenigen, die einen Platz darin gebucht haben. Diese steigen dann ein, sobald die Aussteigenden aus diesem Wagen draußen sind. Sind alle im Wagen drin, fährt der Zug ein Stück weiter vor, so dass der nächste Wagen auf dem Straßenübergang steht. Und das Procedere geht von vorne los. So kommt es, dass wir auf die Verspätung noch eine halbe Stunde draufpacken und statt um 21 Uhr um 23 Uhr Flagstaff verlassen 😀.

Egal, ich habe mein Schlafkabinchen, diesmal etwas bescheidener und günstiger als das letzte, habe nach diesem langen, schönen und auch anstrengenden Tag die nötige Bettschwere und falle alsbald in seligen Schlummer. Eingeschlafen in Arizona, wache ich in Kalifornien auf. Dank der noch nicht wieder eingeholten Verspätung komme ich in den Genuss, noch ein Weilchen länger die Landschaft anschauen und genießen zu dürfen. Doch erst mal zum Frühstück. Im Dining Car werde ich freudig von der Kellnerin begrüßt, denn sie erkennt mich sofort wieder. Wir hatten schon vor eineinhalb Wochen auf der Fahrt von Kasas City nach Albuquerque das Vergnügen miteinander. Wie ich erfahre, ist der „Southwest Chief“ von Chicago nach L.A. ihre Stammstrecke.

Zurück zu meiner Einzelzelle. Dort hat der Zugbegleiter schon mein Bettzeug weggeräumt und das Bettchen zu zwei Einzelsitzen zurück gebaut. Das sieht dann so aus:

 
Der Zug gibt Gas und erreicht am Vormittag mit nur noch eineinhalb Stunden Verspätung Los Angeles. Auch die dortige Union Station mischt mit im Wettbewerb um den schönsten Bahnhof. Das überrascht mich nicht weiter, denn diesen Bahnhof kenne ich bereits von einer meiner letzten Touren. 

 

Flugs mein Köfferchen abgeholt und schon sitze ich in der U-Bahn Richtung Santa Monica. Die „Expo Line“ fährt durchgehend oberirdisch quer durch teilweise recht hübsche Gegenden von L.A. Und wird so zu einer recht untouristischen Variante einer Stadtrundfahrt. Nach rund einer Stunde – L.A. ist eben ein riesiger Moloch – habe ich mein Ziel erreicht. 

Ein längerer Aufenthalt in Los Angeles steht dieses Mal nicht auf dem Programm. Ich war bereits mehrfach hier und habe schon alles gesehen, was mich interessiert. Stattdessen habe ich mich für Santa Monica am westlichen Ende der Stadt entschieden. Dieses Städtchen kenne ich zwar auch schon, aber es hat drei für mich relevante Vorteile: Santa Monica ist erstens klein, überschaubar und schön mit seiner gemütlichen Fußgängerzone, liegt zweitens direkt an einem sehr schönen Strand und ist drittens nur einen schnellen 20-minütigen Ritt vom Flughafen von L.A. entfernt, von dem aus ich morgen früh weiter reisen werde. Und last but not least endet die Route 66 genau hier 😀.

Da ich trotz Zugverspätung recht früh hier bin, bleibt genügend Zeit für einen ausgedehnten Strandspaziergang und einen Bummel über die Pier und durchs Städtchen. 

Und nun gebe ich euch entgegen meiner sonstigen Gewohnheit ungefragt einen heißen Übernachtungstipp: sollte es euch mal hierher verschlagen, empfehle ich euch wärmstens das Seaview Hotel. Es ist über die einschlägigen Buchungsportale im Internet nicht zu finden, sondern kann nur direkt beim Hotel selbst gebucht werden. Deshalb der Hinweis. Die Lage ist unschlagbar: direkt an der Ocean Ave, zweite Strandreihe. In nicht mal fünf Minuten seid ihr am Strand. Die Santa Monica Pier liegt ebenfalls keine zehn Minuten Fußweg entfernt davon. Der Preis für diese Lage ist ebenfalls kaum zu toppen: 88 $ +lokale Steuer. Das Hotel hat natürlich keinen Hilton- Standard  😀, ist aber deutlich besser als andere Hotels dieser Preisklasse. Seht selbst:

 

Das Bad ist etwas oll, aber super sauber. Und was große Klasse ist: der idyllische kleine Garten und die Dachterrasse, die nach Westen, also Richtung Sonnenuntergang raus geht. 


 
 Die Betreiber dieses kleinen Hauses mit 14 Zimmern sind auch total nett. Lokale gibt es auch in unmittelbarer Umgebung. 

Ende des Werbeblocks, raus an den Strand. 

 
 Der Alte Sack ist voll in seinem Element und will sich gleich in die Fluten stürzen. Doch ich halte ihn zurück, den die Flut läuft auf und droht, ihn mitzureißen. Als Entschädigung darf er die Aufgabe von mir übernehmen, für „waworeisen“ eine Runde in den Pazifik zu spucken. Das macht er mit großer Freude, denn das Danebenbenehmen ist voll sein Ding. 

Nun außer Rand und Band kann ich ihm kaum noch den Rücken zuwenden, schon macht er den nächsten Blödsinn.

 

 Jetzt brauche ich erst mal ein Eis. Ein Typ schickt mich in die Main Street, um ein richtig gutes zu bekommen. Und wo er Recht hat, hat er Recht. Der Geschmack stimmt – die Werbung  auch.

 
 
Ich laufe zunächst gen Süden, Richtung Venice Beach. Am Strand wird eifrig Fußball gespielt. Sogar mit stilvoller Torgestaltung. Bei der Gelegenheit fällt mir siedend heiß ein, dass ich ja noch die nächsten Bundesligaspiele tippen muss 😀.

 
Nun Venice Beach mit dem dazugehörigen Muscle Beach. Sporteln, schlendern, essen, trinken, shoppen, sich tätowieren lassen und kuriose Typen bestaunen. Das sind so die einschlägigen Dinge, die man hier tun kann. Sucht euch was aus😀. Sehen und gesehen werden ist hier das Motto. Über der ganzen Szenerie hängt der Geruch von Dope und der Klang von Livemusik. Alles in allem recht unterhaltsam!
 

Bei angenehmen 25 Grad und leichtem Wind schlendere ich nun in die entgegengesetzte Richtung der Pier entgegen. Und dort ist der Moment für einen lauten Tusch gekommen! In Chicago beginnt die ultimative Mother Road der USA. Dort begann auch meine Reise. Mit Saint Louis, Kansas City, Albuquerque, Williams und Flagstaff habe ich einige, wenn auch nicht alle Orte entlang der Route 66 besucht. Durchfahren habe ich noch ein paar mehr. Und nun stehe ich auf der Santa Monica Pier und blicke auf das Ende der Straße. Na wenn das mal kein feierlicher Moment ist!

 
Die Pier selbst ist in all ihrer Farbenpracht und mit ihrem unvermeidlichen Rummel auch sehr sehenswert.


 
Der Nachmittag schreitet voran, doch es bleibt mir noch genügend Zeit für einen entspannten Bummel durch die schöne Fußgängerzone. Ein Insider-Hinweis nur für Stefan: die Augen sind verschwunden! Entweder übermalt oder hinter einem Bauverschlag versteckt.

 
Auf dem Rückweg kann ich es nicht lassen und zücke noch mal die Kamera.

 

Die Dämmerung setzt ein. Einen Teil des Sonnenuntergangsszenarios verbringe ich am Strand, den Rest auf der genialen Terrasse des Motels. Gute Nacht, John-Boy, Jim-Bob und restliche Waltons-Mischpoke.

16 Gedanken zu “Tag 26 – Los Angeles/ Santa Monica: Ein Tag am Meer

  1. Während Berlin noch schläft, werde ich mal die Poleposition übernehmen. Wieder ein sehr schöner Bericht. Du solltest dringend überlegen etwas mit deinem Talent anzufangen (Zeitung, Magazine o. ä.). @Amtrak: ich habe Tränen in den Augen vor Lachen, ob Deiner Schilderung. Schade, dass Du nicht den Grund für dieses skurile Szenario in Erfahrung bringen konntest. Vielleicht brütet gerade eine Fledermauspopulation auf dem Gleis mit dem Bahnsteig? So etwas hatten wir hier in Berlin ja auch schon mit dem Einheitsdenkmal. Die Folge ist ja jedem bekannt. Aber immer wieder unterhaltssam die Firma :-). Sehr schönes Foto mit den Sonnenschirmen. Wenn jetzt noch der Baywatch-Tower mit drauf wäre – perfekt für die Wand. @Eisladen: scheint ja haupsächlich ein Mädchen-Laden zu sein ;-). Auch schön zu sehen, dass sich Venice Beach kaum verändert hat (Erdinger, Wandtattoos, Wetter). Nur an die Green Doctors kann ich mich nicht mehr erinnern. Haben wohl ’ne Menge UFC-Kunden (siehe Wandmalerei) um sich nach der Käfigkloppe die Schmerzen wegzudröhnen. Ja da kann einem wehmütig werden, wenn man den Begleiter (R66) nach über drei Wochen verlassen muss. Aber das muss ja nicht für immer sein, bist ja noch jung – nächstes Mal vielleicht den Mann mitnehmen?! 🙂 Viel Spass in Texas. Howdy.

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  2. Auch ich habe herzhaft gelacht…ein Wagon vor usw. Was die DB kann, kann Amtrak auch. Aber du und dein „Sack“ haben am Pazifik wirklich die Seele bäumeln lassen. Danke Elk, dass wir Dank deines Talentes St. Monica und Venice Beach in Wort und Bild genießen konnten. Wir waren im Sommer auch in St. Monica, allerdings viel zu kurz. Dein Motel ist wirklich ein ganz heißer Tipp. Wir müssen uns dringend und eingehend über Deine „Mother-Road-Impressionen nach deiner Rückkehr in Bln unterhalten. Aber komme erstmal gut wieder an und zurück in/nach good old Europe. Übrigens das Bild mit Deinem „Sack“ auf dem Algen hat mir sehr gut gefallen. Er konnte sich wirklich nochmal ganz toll austoben, bevor er wieder für die Rückreise eingesperrt wird. Heimweh ist angesagt!

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      1. Der Golf ist ein bisschen zu weit weg. Aber morgen darf er in San Antonio sicher noch mal raus. Heute war er noch nicht bereit, da er mit dem feuchtwarmen Klima kämpft. Aber bis morgen sollte er sich akklimatisiert haben.

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    1. Der Sack fühlt sich meistens ja ganz wohl im Rucksack 😀. Aber klar, er muss sich auch mal austoben. Ich hoffe, wir sehen uns im November! Dann werden wir uns ausführlich über unsere US-Touren austauschen.

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  3. Das „alter Sack on the Beach“-Bild ist grandios. Und das er endlich auch mal spuckend aktiv werden konnte nach Willen des Kommentators ebenso. Kam er denn bis zur Brandung? 😉
    Danke ob der schönen Beschreibungen, ja das mit der Bahn war auch klasse. Da ist ja „thank you for traveling with Deutsche Bahn“ nix gegen. Mal sehen, ob die das später auf dem Fliegerhafen auch so machen und immer türgerecht verrollen und einsteigen lassen. Vielleicht war der Übergang auch die einzig beleuchtete Stelle in der Wüste, bevor sich im Dunkeln einer den Hals bricht….

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    1. Nee, an die Brandung habe ich den Alten Sack nicht gelassen. Die drohte ihn zu verschlucken! Das konnte ich nicht riskieren. Uiuiui, ich will mal nicht hoffen, dass die Jungs am Flughafen sich das Amtrak-Procedere abgucken …

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  4. Danke für die Bilder und die lustige Geschichte!Ja, du und Tman wär doch nen super Team für Photo und Reiseblog, vielleicht mit dem Rad um die Welt,oder so, oder mit dem Solarauto durch Afrika nur noch den richtigen Sponsor finden.Ich mag auch den alten Sack am Meer.Da blüht er ja richtig auf 😎der kleine Griesgram.

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    1. Bitte, bitte, immer gern geschehen! Gerne auch eine Tour zusammen mit Stefan als Schreib-Fotografier-Gespann. Nur auf das Fahrrad würde ich in dem Zusammenhang lieber verzichten … :-). Ja, dem Alten Sack hat der Tag am Meer wirklich gut getan. Er sah doch gleich entspannter aus!

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  5. Hübsches Hotelzimmer und der Preis ist für diese Gegend unschlagbar. Venice war damals ja nicht so meins. Wenn ich schon „German Döner“ lese.😏 Den SM Pier fand ich hingegen ganz nett. Stand auch vor dem Route 66 Schild (da gab es noch ein großes mit Karte auf dem Pier). Die Amtrak-Leute spinnen doch etwas, oder? Da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Aber ich glaube als Urlauber, der Zeit hat, hätte ich mich gut amüsiert. Ich mag das letzte Bild…sehr stimmungsvoll.

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