Ich werde eine Weile vor dem Wecker wach und könnte es so gemütlich angehen, wenn ich nicht schon im Aufzug runter zum Frühstücksraum auf drei nette Damen gestoßen wäre. Als sie hören, wo ich her komme, „adoptieren“ sie mich gleich fürs Frühstück und bitten mich, doch unbedingt mit an ihren Tisch zu kommen. Denn dort sitzen zwei weitere Damen, von denen eine eine ganze Weile in Deutschland gelebt hat. Die Truppe ist aus Indiana und besucht für drei Tage einen Kongress in St. Louis. Irgendwas Kirchliches. 20.000 Teilnehmerinnen. Thema: Frauen und Kirche. Mir wird bis zum Schluss nicht ganz klar, mit welcher religiösen Richtung ich es da zu tun habe. Vermutlich was Freikirchliches. Irgendeiner hatte eine Vision, gründete eine Kirche, hielt die ersten Gottesdienste in einem ausrangierten Theater ab und schwups wurde eine Massenbewegung daraus. Mitten auf dem Lande in Indiana. Sei’s drum. 

Sie machen ihre Religion von sich aus auch gar nicht zum Thema, sondern wollen allerhand von mir, Deutschland, meiner Reise und meiner Meinung zu den USA wissen. Es macht Spaß, mit Ihnen zu plaudern. Aber satt werde ich an diesem Morgen nicht so richtig, denn ich komme vor lauter Reden kaum zum Futtern. Zwischendurch kommen immer wieder weitere Frauen zu uns an den Tisch – erwähnte ich schon, dass der Frühstücksraum um diese frühe Uhrzeit (7 Uhr) brechend voll ist mit Massen von den mysteriösen Kirchenbräuten? Es hat sich in Windeseile herumgesprochen, dass hier eine Touristin aus dem fernen Deutschland sitzt. Und alle, die ein paar Brocken deutsch sprechen, stehen plötzlich an unserem Tisch und lassen stolz ihre Sprachkenntnisse spielen. Sehr unterhaltsam! Nur läuft mir langsam die Zeit weg … Ich muss zum Zug!

Heute steht der Missouri River Runner auf dem Plan, der mich nach Kansas City bringen wird. Eine Station nach St. Louis wird es voll. In Kirkwood steigt gefühlt der halbe Ort zu. So muss ich den freien Platz neben mir räumen für einen freundlichen älteren Herrn. Die Fahrt ist schnell erzählt. Brandenburg. Wie gestern. Hübsche Ortschaften auf der Strecke. Richtung Kansas City wird die Landschaft etwas hügeliger. Missouri verlassen wir auf dieser Fahrt nicht. Deshalb das heutige Titelbild.


 
 Eine Weile begleitet uns der Missouri River. Nach anderthalb Stunden taucht Hermann auf, eine von Deutschen gegründete Siedlung, wie ich gestern schon von John erfahren habe. Mein Sitznachbar ergänzt dazu noch, dass hier zu jedem Oktoberfest eine Unmenge an mobilen Toiletten aufgestellt werden. Ein Dorf außer Rand und Band.

Wir passieren Independence …

 

 

 … und schon erreichen wir nach 5 1/2 Stunden etwas verfrüht Kansas City. Ich betrete den Bahnhof – und staune nicht schlecht. Chicago und Minneapolis haben in der Kategorie ja schon ordentlich vorgelegt. Aber Kansas City spielt eindeutig auch mit im Wettbewerb um den schönsten Bahnhof. Sakrale Musik schallt dazu durch die imposanten Hallen, die dadurch umso mehr an eine Kathedrale erinnern. Echt der Hammer! Die Kulisse ist so fotogen, dass selbst Hochzeitsgesellschaften hier anrücken fürs Fotoshooting. Seht selbst:

 

So, jetzt aber flott das Köfferchen deponiert und ab in die City. Denn ich habe nur diesen einen Nachmittag, bevor ich am späteren Abend in den „Southwest Chief“ hüpfen werde, der mich zu meinem nächsten Ziel bringen wird.

Um es vorwegzunehmen: ich bin mehr als angenehm überrascht von dieser Stadt, an die ich keine größeren Erwartungen hatte. „Na ja, um ein paar Stunden Aufenthalt rumzukriegen, wird es schon reichen“, dachte ich im Vorfeld. Und nun muss ich sagen, dass ich schwer begeistert bin. Und fast bereue, hier nicht noch einen Tag drangehängt zu haben. Vom Bahnhof aus fährt eine schicke und kostenlose Tramlinie im 10-Minuten-Takt eine größere Schleife durch die Innenstadt, wendet am szenigen Ausgehviertel City bzw. River Market und kehrt dann wieder zum Bahnhof zurück.


 
Schon zwei Haltestellen später steige ich aus, denn ein Objekt der Begierde hat sich in mein Blickfeld geschoben. Ihr ahnt sicherlich schon das Schlimmste und ihr habt Recht. Das fabulöse Kauffman Center for the Performing Arts zieht mich für eine Weile in seinen Bann. Die verschiedenen Perspektiven sind schon klasse. Das Innere auch.

 

Auch die benachbarte Konzerthalle beeindruckt mich.


 
Mühsam reiße ich mich los, denn die Uhr tickt gnadenlos. Ich lasse mich durch die Stadt treiben, die mit ihren vielen Cafés, Kneipen, Restaurants, Kinos und Theatern einen sehr lebendigen, aber nicht überfüllten oder hektischen Eindruck macht. Bei angenehmen 25 Grad sitzen die Leute draußen und genießen den Nachmittag. Ich fühle mich sehr wohl hier.


 
An der nächsten Station steige ich wieder in die Tram, die mich zum schon erwähnten City Market bringt.

Dort fülle ich meinen hungrigen Magen in einem kleinen vietnamesischen Restaurant, bevor ich zum Abschluss meiner Tour zum Missouri River schlendere. Von einer Fußgängerbrücke aus hat man einen schönen Blick über den Fluß. Als die Dunkelheit hereinbricht, lasse ich mich von der Tram zurück zum Bahnhof kutschieren. Dort schreibe ich meinen heutigen Blogbericht, während ich auf den nächsten Zug warte. Das Ambiente ist hier ja sehr ansprechend, wie ihr weiter oben schon sehen konntet. Mal abgesehen von kleinen Unterbrechungen des freundlichen Typen, mit dem ich eine Bank teile und der mir mehrmals versichert, mit Gott verheiratet zu sein, bleibe ich unbehelligt. Nun denn. 

Der Bahnhof ist übrigens am frühen Abend alles anderen als gruselig und verlassen. Denn in einer Nebenhalle befindet sich die Science City, die zahlreiche Familien mit Kindern anzieht. Und ein schickes, gut besuchtes Restaurant mit Live-Klaviermusik gibt es hier auch. Sehr schön!

Und mit diesen letzten Impressionen aus dem sehr sympathischen Kansas City im Abendlicht überlasse ich euch eurem Schicksal und harre des Zuges, der hoffentlich pünktlich sein wird. Mehr demnächst!

 

 

20 Gedanken zu “Tag 13 – Von Saint Louis nach Kansas City

  1. Na dann werde ich heute mal später als erster kommentieren.
    Elke und die Klerikalen. Gegensätze ziehen sich an. Wer sagt, dass der freundliche verheiratete Mann nicht wirklich Gottes husband ist? Hat damals auch kaum einer geglaubt, als jemand behauptete Gottes Sohn zu sein. Spannend ist da nur die Frage, ob Gott nicht doch eine Göttin ist, wie die Frauenbewegung so häufig anmerkte. Oder eben ein schwules Paar – auch voll okay.
    Ja von K.C. bin ich auch überrascht. Hätte sich wirklich ein voller Tag gelohnt. Schöner Kontrast von altem aus der Gründerzeit mit neuer hochmoderner Architektur, wie immer gekonnt fotografiert. Danke.

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  2. Ich bin auch von KC überrascht. Muss, glaube ich, meine Vorurteile gegen Western Missouri wohl überdenken. Danke, Elke, für den Bericht!

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    1. Ja, die solltest du tatsächlich über Bord werfen und beim nächsten Heimatbesuch mal einen „kleinen“ Abstecher machen. Berühmt ist KC wohl auch wegen einer ganz speziellen Art von Barbecue. Habe heute im Zug eine Typen getroffen, der extra nur zum Essen da hin fährt 😀.

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  3. Habe auch schon von meinem früheren Arbeitskollegen Howard Haden gehört, das K.C. eine wunderbarer Platz wäre zum Leben. Scheint so zu stimmen. Schöner Bericht

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    1. Der alte Howard! Der Name sagt mir noch was. Kann es sein, dass der auch mal bei uns zuhause war? Ja, KC ist ganz sicher eine Stadt mit hoher Lebensqualität. Freut mich, dass dir mein Bericht gefallen hat, dad.

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  4. Ich würde ja auch mal gerne als erster einen Kommentar schreiben, habe aber als Rentner gegen diese Frühaufsteher keine Chance. Muss mich ja von dem gestrigen Tag erholen und Kraft für neue Anstrengungen tanken.

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  5. Ich kommentiere wohl immer als Letzte. Aber wie heißt es so schön: Die Letzten werden die Ersten sein. Oder: Wer zuletzt lacht…na lassen wir das. Kansas City steht bei mir schon lange auf dem Plan. Du weißt ja, ich bin ein USA-Freak.😁 Bahnhöfe können sie sehr gut…einer schöner als der andere!

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  6. von wegen der letzte Kommentar für heute: dieser Bahnhof hat mir sehr imponiert! Yazoo78 hat recht, Bahnhöfe können die dort bauen!
    und dieses Kauffman-Center… großartig!

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  7. Ha, der Jüngere ist nun auch unter der Haube und ich bin wieder da. Ich bewerbe mich sogleich für den letzten Kommentar. Habe ich viel verpasst? Gab es im „The Dubliner“ das von mir sehr geschätze Guinness? Wir sind in Schöndefeld gelandet und wie immer ergriff mich als Berlinerin eine große Scham ob dieses furchtbaren Flughafens. Das sehen also die Gäste aus aller Welt als erstes von Berlin. Wie peinlich. Und erst in Anbetracht der schönen schön fotografierten Bahnhöfe an dieser Stelle… Ich werde mich nun rückwärts lesen um den alten Sack zu suchen und das Brandenburgrätsel zu lösen. Bey, bey.

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    1. Meine herzlichsten Glückwünsche an Julius! Musste mal genauer berichten, wenn wir uns im Herbst treffen. Du hast natürlich eine Menge verpasst, aber das kannste alles nacharbeiten. Dann blickste auch in Sachen Alter Sack und Brandenburg durch 😀. Ich war zwar im Dubliner nicht drin, aber alle einschlägigen Biersorten standen auf der Karte. Ja, Schönefeld. Ein Trauerspiel. Der alte ist potthässlich und der neue wird nicht fertig. Danke für das Foto-Kompliment! Ich habe einen guten Meister 😀.

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